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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2018

Thematisches Forum

Neue Kompetenzen für die digitalisierte Arbeit von morgen – Vergleichende Betrachtung von vier anerkannten Ausbildungsberufen des dualen Systems in Deutschland

Von:
Conein, Stephanie; Bundesinstitut für Berufsbildung, Deutschland
Böcker, Claudia; Bundesinstitut für Berufsbildung, Deutschland
Schad-Dankwart, Inga; Bundesinstitut für Berufsbildung, Deutschland
Bretscheider, Markus; Bundesinstitut für Berufsbildung, Deutschland


Neue Kompetenzen für die digitalisierte Arbeit von morgen – Vergleichende Betrachtung von vier anerkannten Ausbildungsberufen des dualen Systems in Deutschland

Einleitung/Fragestellung

Die Digitalisierung führt branchenübergreifend zu deutlichen Veränderungen der Arbeitswelt und damit zu sich wandelnden Qualifikationsbedarfen von Fachkräften. Je besser diese Änderungen eingeschätzt und beschrieben werden, desto zielgerichteter können Bildungsanstrengungen zur positiven Gestaltung dieses Wandels beitragen.

Zahlreiche Projekte haben sich daher in den letzten Jahren mit der Frage beschäftigt, welche Änderungen es im Zuge der Digitalisierung und insbesondere der allgemein im deutschsprachigen Raum als Industrie 4.0 bezeichneten Digitalisierung der Produktion geben wird. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zum einen allgemeine Studien über mehrere Branchen (Hammermann & Stettes 2016) sowie branchenspezifische Studien (Spöttl, 2016; Stieler, 2015).

Dabei lässt nicht allein die Erfassung eingesetzter Technologien auf mögliche Qualifikationsbedarfe schließen, es bedarf auch der Analyse der arbeitsorganisatorischen Umgebung, in der diese Technologien eingesetzt werden (s. Hartmann & Bovenschulte, S. 35).

Diesem Grundsatz kommt auch das Forschungsprojekt „Neue Qualifikationsanforderungen Kompetenzen für die digitalisierte Arbeit von morgen“ im Rahmen der Initiative „Berufsbildung 4.0“ nach, in dem in einem Berufescreening 12 Berufe untersucht wurden. Es beinhaltete neben Sektoranalysen auch Analysen der jeweiligen berufsspezifischen Arbeitsplätze.

Die zentralen Fragestellungen des Projektes lauten:

• Welche Digitalisierungsansätze finden sich in der betrieblichen Praxis?

• Wie verändern sich Tätigkeitsprofile in den untersuchten Berufen?

• Welche Kompetenzen sind für Fachkräfte erforderlich?

• Wie passen diese Kompetenzen zu bestehenden Ausbildungs- und Fortbildungsberufen?

Methode

Als Erhebungsmethoden dienten Betriebsbegehungen kombiniert mit qualitativen, leitfadengestützten Expert/-inneninterviews mit Fachkräften, Ausbildungsverantwortlichen und Personen in geschäftsführender Verantwortung. Pro Beruf wurden Arbeitsplätze in bis zu 14 Betrieben analysiert, die Datenbasis der Interviews umfasst im Durchschnitt 25 Interviews pro Beruf. Fachliche Begleitung findet das Vorhaben durch eine Expertengruppe, die sich aus Vertretern/-innen aus Wissenschaft und Praxis zusammensetzt.

Ergebnisdarstellung/Ergebnisse

Im Rahmen des anvisierten Forums sollen in vier Beiträgen vergleichend die Ergebnisse folgender vier Berufe, die sich im Hinblick auf Arbeitsumgebung, Arbeitsprozessen und -produkten deutlich unterscheiden, vorgestellt werden:

• Industriekaufmann/-frau (IK), Inga Schad-Dankwart

• Landwirt/-in (LW), Markus Bretschneider

• Orthopädietechnikmechaniker/-in (OTM), Claudia Böcker und

• Verfahrensmechaniker/-in für Kunststoff- und Kautschuktechnik (VKUK), Stephanie Conein.

Statt aufeinanderfolgender Einzelbeiträge wird nach einer Einführung die Ergebnispräsentation zu den unten aufgeführten, ausgewählten Themenbereichen in Form eines runden Tisches mit den genannten BIBB-Berufeverantwortlichen erfolgen. So können die unterschiedlichen Auswirkungen der fortschreitenden Digitalisierung auf die jeweiligen Berufe im unmittelbaren Vergleich verdeutlicht werden. Abschließend folgt die Diskussion der vorgestellten Ergebnisse im Plenum.

Ausgehend von den eingesetzten digitalen Technologien sollen zunächst die Entwicklung des Fachkräftebedarfs und dann die Veränderung beruflicher Anforderungsprofile betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund wird anschließend der Frage nach der Aktualität bestehender Ausbildungsordnungen nachgegangen.

1. Eingesetzte digitale Technologien

Mit Ausnahme des IK, wo die Digitalisierung allgemein schon weit fortgeschritten ist, lassen sich bei den betrachteten Berufen große betriebsspezifische Unterschiede im Digitalisierungsgrad feststellen. Häufig existieren in den Betrieben digitalisierte Insellösungen neben analog gestalteten Produktionsschritten. Anders als beim OTM sind beim VKUK und beim LW schon seit vielen Jahren viele Arbeitsabläufe automatisiert und ist Sensortechnik weit verbreitet. Dies führt dazu, dass auch der nächste technologische Schritt, die Digitalisierung der Produktion, in vielen Unternehmen/Betrieben bereits Realität ist, während sie sich bei den Arbeitsplätzen des OTM noch im Anfangsstadium befindet.

2. Entwicklung des Fachkräftebedarfs

Der Einfluss der Digitalisierung auf den Fachkräftebedarf ist spätestens seit den aufsehenerregenden Thesen von Frey und Osborn im Jahr 2013 ein vieldiskutiertes Thema. Bezüglich der untersuchten Berufe gibt es dazu unterschiedliche Ergebnisse. Der IK erwartet aufgrund der Digitalisierung in den nächsten Jahren einen nur moderaten Rückgang des Fachkräftebedarfs. Zudem gibt es Tendenzen, aufgrund steigender kognitiver Anforderungen auch Akademiker für IK-Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen. Beim VKUK ist insgesamt von einem sinkenden Fachkräftebedarf im Zuge der Digitalisierung auszugehen. Zudem zeichnet sich eine Aufspaltung des Berufes ab. Zum einen wird es zukünftig verstärkt einfache Überwachungstätigkeiten geben, die von An- oder Ungelernten ausgeführt werden können. Zum anderen wird es einzelne komplexe Tätigkeiten geben (z.B. Betreuung eines digitalen Druckers), die höhere Anforderungen als heute an die Fachkraft stellen. Bei LW und OTM ist der Einfluss der Digitalisierung auf den Fachkräftebedarf zurzeit nicht absehbar.

3. Veränderung des beruflichen Anforderungsprofils

Grundsätzlich sind Kompetenzen zur Anwendung von Informationstechnologie erforderlich, wobei diese Kompetenzen sich beim IK auch auf einfache Programmierungskenntnisse erstrecken. Als zukünftig ebenfalls für alle vier Berufe besonders relevant wird ein erweitertes Prozessverständnis erachtet. Soziale Kompetenzen werden als besonders wichtig angesehen, unter ihnen insbesondere die Kommunikationsfähigkeit, da mit steigender inner- und außerbetrieblicher Vernetzung auch der Bedarf an Abstimmung wächst.

Neben Kenntnissen im Datenschutz und in der Datensicherheit wird es besonders für die Fachkräfte von LW, IK und VKUK wichtiger, aus den zunehmend anfallenden Datenmengen die relevanten Daten auszuwählen, zu analysieren und zu nutzen.

Beim OTM und beim VKUK sinkt der Stellenwert des handwerklichen Geschickes. Ähnliches gilt für den IK für Grundfertigkeiten wie Rechnen.

4. Aktualität bestehender Ausbildungsordnungen

Unter anderem aufgrund der technikoffenen Formulierung von Inhalten werden die Ausbildungsordnungen aller vier Berufe trotz der Veränderungen der Anforderungsprofile derzeit als adäquat angesehen. Der konstatierte Anpassungsbedarf (mehr IT-Kompetenz, tieferes Prozessverständnis etc.) soll durch formalisierte und informelle Weiterbildung erfolgen. Beim OTM werden auch Zusatzqualifikationen in Betracht gezogen.

Zusammenfassung

Die Ergebnisse des Berufescreenings zeigen, dass sich die Digitalisierung derzeit berufsspezifisch sehr unterschiedlich auf die Arbeitsplätze auswirkt und daher Aussagen über zukünftige Anforderungen an die Fachkräfte entsprechend kontextualisiert werden müssen. Nur so lassen sich im Rahmen einer Früherkennung genauere Aussagen über veränderte Kompetenzanforderungen treffen und mittels eines Vergleichs der berufsspezifischen Ergebnisse übergeordnete bildungspolitische Maßnahmen formulieren. Abschließend lässt sich festhalten, dass aktuell keine Anpassung der Ausbildungsordnungen in den untersuchten Berufen als notwendig gesehen wird.

• Frey, C.; Osborne, M.: The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation? Oxford 2013.

• Hammermann, A.; Stettes, O.: Qualifikationsbedarf und Qualifizierung. Anforderungen im Zeichen der Digitalisierung. IW policy papers 3/2016. Köln.

• Hartmann, E.; Bovenschulte, M.: Skills Needs Analysis for “Industry 4.0” based on Roadmaps for Smart Systems. In: SKOLKOVO Moscow School of Management & International Labour Organization (ed.) (2013): Using Technology Foresights for Identifying Future Skills Needs. Global Workshop Proceedings, Moscow; p. 24-36.

• Spöttl, G. et al.: Industrie 4.0 – Auswirkungen auf Aus- und Weiterbildung in der M+E Industrie. München 2016.

• Stieler, S.: Digitalisierung in der Kunststoffverarbeitenden Industrie. Informationsdienst des IMU Instituts – Heft 5/2015. Stuttgart.



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