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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2018

Poster

"Des Kaisers neue Kleider?" Aufbau von Fachsprachenkompetenz durch sprachbewussten Fachunterricht bei BerufsschülerInnen

Von:
Majcen, Jutta; PH Wien, Österreich


In Österreich hat sich das „duale Ausbildungssystem“ in der Lehrlingsausbildung erfolgreich etabliert. Jugendliche, die eine Lehre beginnen, werden nicht nur in ihrem Lehrbetrieb ausgebildet – sie müssen auch die Berufsschule besuchen. Diese ist eine Pflichtschule - mit Jahres oder Blockunterricht - dennoch nimmt sie in der österreichischen Schullandschaft eine Sonderstellung ein. „In horizontaler Richtung bildet die Berufsschule eine Sackgasse, da beim Übertritt von einer Schule in ein Lehrverhältnis die Schulzeit unter bestimmten Voraussetzungen auf die Lehrzeit angerechnet wird, wogegen die Anrechnung der Lehrzeit (Berufsschule) beim Übertritt in eine berufsbildende Schule nicht vorgesehen ist. In vertikaler Richtung bildet die abgeschlossene Berufsschule eine direkte Anschlussstelle für den weiterführenden Besuch der Sonderformen der gewerblichen, technischen und kunstgewerblichen Fachschulen, sowie gewerblichen und technischen Lehrgänge und Kurse.“ (Rohringer, 1970, S. 76).

Diese Sonderstellung der Berufsschule definiert sich zusätzlich in der Heterogenität ihrer SchülerInnen in Bezug auf den sozioökonomischen Hintergrund; die Schullaufbahn oder die Tatsache, dass viele SchülerInnen bereits eigenberechtigt sind, wenn sie mit einer Lehre beginnen. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Schulform Berufsschule in Österreich gibt es nur sehr wenige - Rohringer (1970) befasst sich beispielsweise mit der Institution Berufsschule aus historischer Sicht. Duffek (1984) untersuchte den Konflikt zwischen Berufs- und Allgemeinbildung. György (1995) und Max (1995) beleuchten die schriftliche Ausdrucksfähigkeit von BerufsschülerInnen, wobei sich die Untersuchungen auf den Gegenstand Deutsch beschränken. Pahl (2004) forschte zum Thema Lernort Berufsschule. In Deutschland befasst sich Niederhaus (2007, 2011, 2013) mit der Fachsprachlichkeit in Lehrbüchern für BerufsschülerInnen und den Schwierigkeiten beim Textverständnis von (Berufs-)SchülerInnen mit Deutsch als Zweitsprache. Die Schwierigkeiten im Textverständnis, die sich bei kaufmännischen Gegenständen (Buchführung, Rechnungswesen, Wirtschaftskunde etc.) in der Berufsschule ergeben, sind bisher jedoch ein Stiefkind der Forschung. In Österreich besucht rund ein Drittel der Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren eine Berufsschule. Gerade im berufsbezogenen Fachunterricht ist es auffällig, dass viele dieser Jugendlichen – mit und ohne Migrationshintergrund – Schwierigkeiten haben, Fachtexte, die im Berufsschulunterricht eingesetzt werden, sinnerfassend lesen und verstehen zu können. Ihnen fehlt sowohl die Fachsprache – jener Teil der Bildungssprache, die sich durch Mehrwortkombinationen, komplexe Attribute und trennbare Verben definiert – als auch die Fachtextdekodierungskompetenz. Eine Möglichkeit zum Aufbau von Fachsprache bietet der sprachbewusst gestaltete (Fach-)Unterricht, bei dem nicht nur das fachliche, sondern auch das sprachliche Lehren und Lernen bewusst in den Fachgegenständen praktiziert wird. Dabei soll gezielt der Aufbau von Fach- bzw. Bildungssprache durch eine breite Palette an Tools wie Wortgeländer, Scaffolding, Concept Maps, Textarbeit, Lesestrategien etc. gefördert werden. Eine alte pädagogische Weisheit lautet „Wenn man 30 Jahre lang den gleichen Unterrichtsstil pflegt, so ist man mindestens drei Mal up to date.“ – der Titel des Promotionsvorhabens steht daher gleichsam als Metapher um der Frage nachzugehen, ob und wieweit ein sprachbewusster Unterricht tatsächlich nachhaltig in einer Schulform wie der Berufsschule wirken kann – oder ob es sich dabei einfach um eine Mode handelt, die gerade wieder „in“ aber letztendlich ohne nachhaltige Substanz ist. Theoretisch und methodisch ist das Forschungsprojekt im Paradigma der Aktionsforschung verankert; das Forschungsdesign selbst zeigt sich als Kombination aus qualitativen und quantitativen Methoden (Textverständnisüberprüfung, Sprachstanderhebung, Lerntagebuch) die durch Triangulation zueinander in Beziehung gesetzt werden und so einen mehrdimensionalen Blick auf das Forschungsprojekt zulassen. Durch das geplante Dissertationsprojekt sollen im Forschungszeitraum Dezember 2017 bis Juni 2019 sowohl wichtige Ergebnisse für die Sprachlehr-/lernforschung, als auch für die Berufsbildung generiert werden. Im Vordergrund steht dabei die Frage, inwieweit ein durchgängiger sprachbewusster Fachunterricht in den Gegenständen Buchführung, Kaufmännisches Rechnen, Wirtschaftskunde, Büroorganisation und Fachpraktikum und methodologische Ansätze wie beispielsweise Scaffolding tatsächlich dazu beitragen können, trotz der schwierigen organisatorischen Unterrichtsbedingungen (Zeit, Heterogenität etc.) die Fachtextdekodierungskompetenz von BerufsschülerInnen zu verbessern. Die gewonnenen Erkenntnisse können in weiterer Folge auch für die Erwachsenenbildung interessant sein, wenn es beispielsweise um das Nachholen der Lehrabschlussprüfung geht.



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