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Paper

Politiktransfer in der beruflichen Bildung: borrowing, lending, learning or just cherry picking?

Von:
Bohlinger, Sandra; Universität Osnabrück, Deutschland

Paper Session: 1
Zeit: Donnerstag, 03.07.2014, 14:15 - 16:15
Ort: FH Seminarraum Promotech
Typ: Paper
Downloads:Präsentation als PDF



Duale Ausbildungssysteme, wie sie in den deutschsprachigen Ländern zu finden sind, dienen vielen anderen Ländern als Vorbild und Forschungsobjekt. Allerdings entspringt die Anziehungskraft korporativer Systeme weniger der Neugierde und dem altruistischem Interesse anderer Länder als vielmehr politischen Motiven und ökonomischen Zwängen, um wettbewerbsfähig und international anschlussfähig zu bleiben.

Daraus resultierende berufsbildungspolitische Reformansätze zur Etablierung dualer Ausbildungsstrukturen, wie sie etwa in Asien, Nordafrika, Lateinamerika oder Südeuropa zu finden sind, werden von der Idee geleitet, Beispiele guter Praxis eindeutig identifizieren und sie zumindest in Teilen auf das eigene System übertragen zu können. Gleichzeitig gelten solche Ansätze als komplex, schwierig, mit Blick auf ihren langfristigen Nutzen fragwürdig und sind “one of the oldest and most controversial theory traditions in comparative education” (Zymek & Zymek, 2004: 25).

Parallel dazu hält sich in den deutschsprachigen Ländern selbst hartnäckig die Idee, das eigene System sei ohne größere Schwierigkeiten in andere Länder exportierbar (vgl. Euler 2013; ausführlich: Wolf 2013). Nach etlichen Fehlschlägen v.a. in den 1970er und 1980er Jahren und der aktuellen Wiederentdeckung dualer Systeme als „Exportschlager“ verlangen die aktuellen Ansätze aber nach einer systematischeren Auseinandersetzung mit und Anbindung an international-vergleichende Studien, wenn die Entwicklung dualer Strukturen nachhaltig sein soll.

Vor diesem Hintergrund befasst sich der Beitrag mit dem Themenfeld „Politiktransfer in der beruflichen Bildung“. Die zentrale Frage lautet dabei, wie Ansätze der Politikgestaltung und des Politiktransfers so entwickelt werden können, dass dabei vorhandene nationale Traditionen, Strukturen, Kulturen und Bedarfe tatsächlich Berücksichtigung finden. Diese Frage wird aus der Perspektive der (deutschsprachigen) Länder bearbeitet, die als „Exporteure“ Elemente ihres Berufsbildungssystems in andere Länder übertragen.

Beginnend mit einer Aufarbeitung der früheren und jetzigen Initiativen der deutschsprachigen Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz), ihre dualen Ausbildungssysteme zu „exportieren“, werden in dem Beitrag die historischen und epistemologischen Positionen und die methodologischen Ansätze des policy borrowing, lending and learning kritisch reflektiert. Dabei wird auch hinterfragt, wie das Fokussieren auf positive Einzelaspekte (Stichwort: cherry picking) vermieden werden kann und vielmehr die Entwicklung des Verständnisses für das jeweils „Andere“ (Bildungssystem, Bildungselement, Berufsverständnis etc.) gefördert werden kann.

Als Methoden kommen dabei zum Einsatz

• eine Fallstudie aus Griechenland (ein dreijähriges Projekt zur Entwicklung eines dualen Systems für Griechenland, gefördert durch das BMBF) sowie

• eine international-vergleichende Analyse existierender Ansätze zum Politiktransfer im (Berufs-)Bildungsbereich, die unter dem Aspekt der Freiwilligkeit des Transfers (versus politische Erwünschtheit versus politische Forcierung versus Zwang) unterschiedliche Formen des Politiktransfers zu systematisieren versucht. Als Datengrundlage dienen hier nationale und internationale Berichte internationaler Organisationen sowie Fälle, wie sie etwa im World Yearbook of Education (2012) dokumentiert sind.

Ziel des Beitrags ist es, den Diskurs um Politiktransfer in der beruflichen Bildung aufzuarbeiten, ihn an die internationale Diskussion um policy borrowing, lending and learning anschlussfähig zu machen sowie einen Beitrag zur Entwicklung von Modellen des Politiktransfers für die berufliche Bildung zu leisten.

Literatur

Euler, D. (2013): Die deutsche Berufsausbildung – ein Exportschlager oder eine Reformbaustelle? In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 109. Band, Heft 3, S. 221–231.

Steiner-Khamsi, G.; Waldow, F. (2012): World Yearbook of Education 2012. Policy Borrowing and Lending in Education. London u.a.

Wolf, S. (2013): Beiträge zur Berufspädagogik in internationaler Perspektive. Publikationsbasierte Habilitationsschrift der Technischen Universität Berlin. Unveröffentlichtes Manuskript. Berlin.

Zymek, B.; Zymek, R. (2004): Traditional – National – International. Explaining the Inconsistency of Educational Borrowers. In D. Phillips & K. Ochs (eds.): Educational Policy Borrowing: Historical Perspectives. Oxford, pp. 25–35.



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