Skip to main content

BMBWF BMAW AMSInnsbruck Logo Land Tirol    ÖFEB

BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2014

pdfBoof-of-Abstracts_2014

 

Paper

Persönlichkeitsentwicklung als Qualitätskriterium für psychosoziale Aus- und Weiterbildungen

Von:
Drexler, Arthur; Universität Innsbruck, Österreich

Paper Session: 3
Zeit: Freitag, 04.07.2014, 10:45 - 12:45
Ort: MAW Mittlerer Saal
Typ: Paper



Einleitung und Fragestellung

Berufliche Weiterbildungen haben heute in jeder Branche Hochkonjunktur (vgl. European Training Foundation 2012) und im Bereich psychosozialer Berufe (z.B. Psychotherapie, klinische Psychologie) sind sie in Österreich sogar gesetzlich vorgeschrieben. Gerade bei beruflichen Tätigkeiten, bei denen Personen als eigenverantwortliche ExpertInnen agieren und interpersonale Beziehungen als Medium der Berufstätigkeit fungieren, haben persönliche Einstellungen, Motivationen, Werthaltungen und Eigenschaften Einfluss auf das Beratungs- bzw. Behandlungsergebnis (Orlinsky & Ronnestad 2005; Hemer 2012).

Jenseits dieser spezifischen Erkenntnisse im Bereich psychosozialer Tätigkeiten wird die Förderung sogenannter personaler Kompetenzen in allen (berufsbildenden) Schulen gefordert (siehe Bildungsstandards in der Berufsbildung). Somit ist Selbstreflexion und „Arbeit an sich selbst“ ein wesentlicher Teil von berufsbezogener Qualifikation und Qualität. Solche Persönlichkeitsentwicklungen werden jedoch nicht explizit evaluiert.

Die Ursachen dafür sind vielfältig: Im Gegensatz zu fachbezogenen Lernergebnissen und zu beobachtbaren Verhaltensänderungen sind Persönlichkeitsveränderungen konzeptionell nicht eindeutig definiert und Persönlichkeitsentwicklungen können auch vergleichsweise nicht so einfach erfasst werden. Erpenbeck und Hasebrook setzen sich beispielsweise in ihrem Artikel „Sind Kompetenzen Persönlichkeitseigenschaften“ (2011) für die Verwendung eines (berufsbezogenen) Kompetenzbegriffs ein, da es sich dabei um handlungsbezogene Selbstorganisationsdispositionen handelt, die Psychotherapieforschung stützt sich hingegen auf Persönlichkeitseigenschaften der Persönlichkeitspsychologie , wenn Therapieerfolge untersucht werden (Rogers, 1975; Beutler et al. 2004).

Davon ausgehend beschäftigt sich diese Studie mit den folgenden Fragen:

• Welche Konzepte im Bereich der Persönlichkeit (Persönlichkeitseigenschaftsmodelle, personale Kompetenzen) sind bei psychosozialen Berufstätigkeiten vorzuziehen und sollten deshalb im Zuge von Aus- und Weiterbildungen als Basis eines Erfolgskriteriums spezifisch berücksichtigt werden?

• In welchem Ausmaß finden (diese) Persönlichkeitsentwicklungen während einer psychosozialen Ausbildung statt?

• Lassen sich die Methoden für eine Qualitätssicherung bei Aus- und Weiterbildungen in der Praxis nützen?

Methodisches Vorgehen

Für die Beantwortung der Forschungsfragen wurden eine universitäre Coachingausbildung, eine Ausbildung für Supervision und Organisationsberatung an einem Bildungszentrum und ein Universitätskurs für systemisches Arbeiten und Beraten empirisch untersucht.

Im ersten Schritt wurden die für eine Qualitätssicherung geeigneten persönlichkeitstheoretischen Konzeptionen aus den Kursinhalten und –zielen unter Berücksichtigung von bekannten „TherapeutInnenvariablen“ (vgl. Sandell 2007) dekonstruiert. Die Analysen ergaben Gewichtungen, die entweder handlungsorientierte Merkmale (z.B. Selbstreflexivität) oder persönliche Eigenschaften (z.B. Offenheit, emotionale Stabilität) oder motivationale Hintergründe (z.B. Gestaltungsmotivation) betonen. Somit sind sowohl kompetenz- als auch persönlichkeitstheoretische Konstruktionen zu berücksichtigen, wenn Effekte einer psychosozialen Ausbildung als Persönlichkeitsentwicklung in den Blick genommen werden.

Als empirisches Untersuchungsdesign wurde ein multimethodisches pre-post-measurement Design gewählt, um die Persönlichkeitsentwicklung während der Kurse zu erfahren. Die Untersuchungsverfahren wurden zur Erfassung der jeweiligen Merkmale vor dem Hintergrund ihrer theoretischen Fundierung unter Berücksichtigung zeitökonomischer Vorgaben ausgewählt. Zum Einsatz kamen in unterschiedlicher Zusammensetzung bei den drei Kursen psychometrische Persönlichkeitsfragebogen, strukturierte Arbeitsproben, standardisierte Selbst- und ReferentInneneinschätzungen der TeilnehmerInnen, ein computerunterstützter Emotionserkennungstest und ein psychodynamisches Verfahren zur Erhebung der Ausbildungsmotivation.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass Persönlichkeitsentwicklungen während psychosozialer Aus- und Weiterbildungen stattfinden können. Sie liegen vorrangig in den Bereichen „Offenheit für Neues“, Leistungsorientierung, Extraversion und Selbstreflexivität. Das Ausmaß der Veränderung hängt allerdings von verschiedenen Faktoren wie Kursdauer oder Ausbildungsmotivation ab. TeilnehmerInnen verfügen auch bereits am Beginn über hohe Ausprägungen bei einzelnen relevanten Persönlichkeitsmerkmalen, wie der Fähigkeit, beim Gegenüber Emotionen richtig zu erkennen.

Die Untersuchungen der Persönlichkeitsentwicklungen zeigen, dass sie als Qualitätskriterium bei entsprechenden Aus- und Weiterbildungen in der Praxis – neben Fachkenntnissen und sozialen Fähigkeiten – durchaus berücksichtigt werden können und sollten. Adäquate Evaluationsmethoden sind in diesem Bereich allerdings noch nicht ausreichend vorhanden.



Weitere Abstracts