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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2014

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Paper

Die Einstiegsqualifizierung (EQ) in Deutschland – eine Alternative auch für berufsbildungspropädeutische Maßnahmen anderer europäischer Bildungssysteme?

Von:
Saniter, Andreas; ITB Uni Bremen, Deutschland
Burchert, Joanna; ITB Uni Bremen, Deutschland
Lübcke, Eileen; ITB Uni Bremen, Deutschland

Paper Session: 3
Zeit: Freitag, 04.07.2014, 10:45 - 12:45
Ort: FH Seminarraum 3
Typ: Paper
Downloads:Präsentation als PDF



Seit dem Ölpreisschock Mitte der 70iger und dem folgenden signifikanten Anstieg der Arbeitslosenzahlen in Deutschland ist auch das Thema des sogenannten Übergangssystems in den berufsbildungswissenschaftlichen Diskurs gerückt; Autoren wie Christe konstatieren:

„Neben der dualen Ausbildung und dem Schulberufssystem ist das Übergangssystem die dritte Säule der beruflichen Bildung in Deutschland.“ (Christe, 2011)

Rein quantitativ betrachtet ist diese Aussage sicher nicht ohne Berechtigung; für das Jahr 2011 ermittelte die Autorengruppe Bildungsberichterstattung 524.946 Menschen im regulären Beruflichen Bildungssystem (davon 210.054 im Schulberufssystem) und 294.294 Menschen im Übergangssystem (ohne Doppelzählungen, AG Bildungsberichterstattung, 2012, S. 277). Qualitativ muss jedoch der vollkommen andere Charakter der Maßnahmen des Übergangsystems betont werden: Diese bereiten nicht auf einen Beruf, sondern auf einen Berufsbildungsgang vor. Dabei lassen sich 3 Funktionen des Übergangssystems beschreiben: Überbrückung bis zur Aufnahme einer regulären Ausbildung, Aufwertung der (schulischen) Qualifikation und Verbesserung der Voraussetzungen zur Aufnahme einer Ausbildung (Dionisius/Kregel 2013, 50).

Bei der Beurteilung des Erfolgs dieser, zumeist schulisch organisierten, Maßnahmen fallen jedoch häufig Schlagwörter wie „Warteschleifen“ oder„Sackgassen“ (vgl. z. B. Schroeder/Thielen S.67 ff.), An dieser Stelle kann diese Diskussion nicht umfassend wiedergegeben werden, zwei zentrale Kritikpunkte sind jedoch unstrittig:

• Die Unspezifität: Die Maßnahmen bereiten nicht auf die Ausbildung in einem Beruf, sondern bestenfalls auf einen Sektor (z. B. Metall) vor – stellen also in gewisser Weise ein „Vorratslernen“ dar – mit entsprechenden Konsequenzen für die Motivation.

• Der Lernort Schule: Obwohl die Schüler im Übergangssystem auch als „Schulversager“ bezeichnet werden (es sei dahingestellt, ob die Jugendlichen oder die Schule versagten), bleiben sie in dieser Lernumgebung verhaftet.

Eingedenk dieser Probleme sowie des Fachkräftemangels in wenig attraktiven Berufen wurde im Jahr 2004 die Möglichkeit einer betrieblich organisierten Übergangsmaßnahme eröffnet, die sog. Einstiegsqualifizierung (EQ). Wesentliche Merkmale dieser 6-9-monatigen Maßnahmen sind die Trägerschaft durch Unternehmen oder Arbeitgeberverbände sowie die duale berufs- (nicht berufsfeld-)vorbereitende Organisation: Die jungen Menschen sind alternierend in Fachabteilungen des Betriebs und in sozialpädagogischen Unterrichtseinheiten (z.B. Bewerbungstraining). Das Curriculum der berufspropädeutischen Einsätze im Betrieb ist für jeden Beruf deutschlandweit von den Kammern geregelt - es basiert auf den Berufsbildpositionen des 1. Lehrjahres. Am Ende der Maßnahme wird dem Teilnehmer auf einer qualitativ-performanzorientierten Skala der Lernfortschritt zu den einzelnen Positionen bestätigt – eine Anerkennung in Form einer Verkürzung in einem späteren Ausbildungsgang kann, muss aber nicht erfolgen. Während sich, je nach Maßnahme, die Übernahmequoten bei Absolventen von schulischen Maßnahmen in eine reguläre Ausbildung in einem Bereich von 20-40% bewegen, liegen diese Quoten bei der EQ zumeist bei über 80%.

Wir haben bei einem großen Unternehmen, das ca. 400 Plätze in 10 verschiedenen EQ anbietet, eine Fallstudie mit den klassischen berufswissenschaftlichen Methoden der Experten-Workshops, Arbeitsprozessanalysen und Interviews durchgeführt und die Ergebnisse einer SWOT-Analyse unterzogen.

Zusammenfassend lässt sich für den Ansatz im deutschen System festhalten, dass sich neben einigen Entwicklungsbedarfen (Auswahl der Teilnehmer, Vorbereitung der betreuenden Facharbeiter) ein wirklicher Mehrwert feststellen lässt, v. a. die oben problematisierten Aspekte des Lernortes Schule und der Motivation der Teilnehmer werden zufriedenstellend gelöst.

Im Rahmen eines europäischen Projektes arbeiten wir zurzeit an der Frage, inwieweit sich dieser Ansatz auch auf Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit und schulisch geprägten Berufsbildungssystemen übertragen lässt; erste Ergebnisse aus Spanien, Italien und Litauen werden bis Juli 2014 vorliegen.

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012) Bildung in Deutschland 2012. W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld.

Christe, G. (2011): Notwendig, aber reformbedürftig! Die vorberufliche Bildung für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, library.fes.de/pdf-files/wiso/08037.pdf.

Dionisius, R., & Krekel, E. M. (2014). Zur Bedeutung und künftigen Entwicklung des Übergangsbereiches — Welche Informationen liefert die integrierte Ausbildungsberichterstattung (iABE)? In D. Ahrens (Hrsg.), Zwischen Reformeifer und Ernüchterung, S. 35–53. Springer Fachmedien Wiesbaden.

Schroeder, J., & Thielen, M (2009): Das Berufsvorbereitungsjahr. Eine Einführung. Kohlhammer, Stuttgart.



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