Skip to main content

BMBWF BMAW AMSInnsbruck Logo Land Tirol    ÖFEB

BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2016

Paper

Sind Arbeitskräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung häufiger als Beschäftigte mit einer Allgemeinausbildung von formaler Überqualifikation betroffen? Eine Analyse der Verwertbarkeit der formalen Ausbildung am österreichischen Arbeitsmarkt im Zeitabschnitt 1994-2014

Von:
Bock-Schappelwein, Julia; WIFO, Österreich
Huemer, Ulrike; WIFO, Österreich

Typ: Paper

Formale Überqualifikation zeichnet sich dadurch aus, dass der Bildungsabschluss einer Person höher ist als das Niveau, das typischerweise notwendig ist, um die Tätigkeit, die diese Person innehat, adäquat ausüben zu können. Formale Überqualifikation kann unterschiedliche Gründe haben: Sie tritt auf, wenn eine Arbeitskraft keinen – ihrem formalen Qualifikationsniveau entsprechenden –Arbeitsplatz finden kann und einen Job annimmt (annehmen muss), der nicht dem formalen Ausbildungsabschluss entspricht oder aber die Erwartungen der Arbeitskraft an die beruflichen Herausforderungen zu hoch waren bzw. die Anforderungen an die Arbeitskraft für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit im Zeitablauf gesunken sind. Aber auch nicht ausreichende individuelle Fähigkeiten oder fehlendes Erfahrungswissen führen zu formaler Überqualifikation; denn Arbeitskräfte können in Bezug auf ihre Kompetenzausstattung bei gleicher formaler Ausbildung sehr unterschiedlich sein. Das Risiko, von formaler Überqualifikation betroffen zu sein, nimmt zudem zu, wenn die Erwerbsbiographie durch geringe Arbeitserfahrung, häufigen Arbeitsplatzwechsel, Karriereunterbrechung oder Diskriminierung am Arbeitsmarkt gekennzeichnet ist oder die internationale Transferierbarkeit von formaler Qualifikation (Chiswick – Miller, 2013) nicht gegeben ist. Ein höheres Risiko, überqualifiziert beschäftigt zu sein, haben demnach öfters Frauen, jüngere Arbeitskräfte, Personen mit Migrationshintergrund sowie Personen mit wenig Arbeitserfahrung.

Das Forschungsfeld zum Thema Qualifikationsmissmatch im Allgemeinen bzw. formaler Überqualifi-kation im Speziellen wurde in den 1970er Jahren in den USA von Freeman (1976) und Duncan - Hoffman (1981) begründet. In den 1990er Jahren folgten Studien in Europa u. a. im Vereinigten Königreich, Spanien, Portugal, Niederlande, Belgien, Deutschland und Frankreich zum Thema formaler Überqualifikation mit den unterschiedlichsten Schwerpunktsetzungen: Untersucht wurden etwa die Auswirkungen von Überqualifikation auf Löhne, Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmobilität insgesamt bzw. erfolgte eine Fokussierung auf spezifische Personengruppen wie AusbildungsabgängerInnen, StudienabsolventInnen, Jugendliche oder MigrantInnen (Überblickartikel beispielsweise in Tsang - Levin, 1985, Groot - Maassen van den Brink, 2000, Büchel et al., 2003, Sloane, 2003, Davia et al., 2010, Quintini, 2011, Chiswick - Miller, 2013).

Vor diesem Hintergrund wird auf Basis von Daten der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung für drei Erhebungszeitpunkte (z.B. 1995, 2005 und 2015) das Ausmaß von formaler Überqualifikation von Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung im Vergleich zu Personen mit einer abgeschlossenen Allgemeinausbildung für Österreich untersucht, um hieraus einerseits Hinweise zur Größenordnung von formaler Überqualifikation in Abhängigkeit vom formalen Ausbildungsschwerpunkt zu erhalten, andererseits um die Entwicklung der Betroffenheit von formaler Überqualifikation im Zeitablauf abzubilden. Die formale Überqualifikation wird mittels objektiver, konkret normativer, Berechnungsmethode ermittelt (zu den verschiedenen Berechnungsmethoden siehe z.B. Bock-Schappelwein — Egger-Subotitsch, 2015), da Informationen zur subjektiven Einschätzung in der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung fehlen. Beim normativen Berechnungsansatz wird überprüft, ob der ausgeübte Beruf und die höchste abgeschlossene formale Ausbildung einer beschäftigten Person mit einer „standardisierten“ Klassifikation übereinstimmen. In der vorliegenden Arbeit wird die Verknüpfungstabelle der ILO (1990, 2012) als Referenzgröße verwendet – sie ordnet jedem Beruf, zusammengefasst in Berufshauptgruppen, ein spezifisches Skill-level in Form eines Ausbildungsniveaus zu. Die Berufe werden entsprechend der internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO-08, ISCO 88) klassifiziert. Mit Ausnahme der Berufshauptgruppen 0 (Angehörige der regulären Streitkräfte) und 1 (Führungskräfte) kann jede Berufshauptgruppe einem spezifischen Skill-level zuordnet werden. Alle Arbeitskräfte, deren Bildungsabschluss mit dem zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit notwendigen Bildungsniveau übereinstimmt, werden als ausbildungsadäquat beschäftigt eingestuft, alle anderen werden entweder als über- oder als unterqualifiziert beschäftigt kodiert.

Es sollen folgende Fragestellungen behandelt werden: Wie hoch fällt die formale Überqualifikation in Österreich in Abhängigkeit von der abgeschlossenen formalen Ausbildung aus? Gibt es Unterschiede im Zeitablauf? Welche Einflussfaktoren wirken auf die formale Überqualifikation ein?

Umgesetzt wird die Analyse unter Verwendung deskriptiver und ökonometrischer Verfahren (Logit-Analyse zur Bestimmung der Einflussfaktoren auf die formale Überqualifikation).

Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, das Phänomen der formalen Überqualifikation am österrei-chischen Arbeitsmarkt für Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung zu untersuchen, um hieraus Rückschlüsse auf die zunehmenden Anforderungen an die Qualifikationen der Arbeitskräfte infolge von Technisierung und Digitalisierung ableiten zu können.



Weitere Abstracts