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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2016

Poster

Betriebliche Berufsbildung und nicht-geradlinige Berufseinstiegsverläufe

Von:
Höhns, Gabriela; Bundesinstitut für Berufsbildung, Deutschland

Typ: Poster

Die Frage nach der möglichen Lösungskraft von Berufsbildung wird in besonderer Weise akut in Anbetracht von Zahlen, die belegen, dass, nach harten Kriterien (Castel 2000) gemessen, etwa ein Drittel der Absolventen dualer Ausbildungsgänge in Deutschland potentielle Prekarität oder gar Entkopplung im Berufseinstiegsverlauf zeigen (Dorau, Höhns et al. 2009). Diese Feststellung kann zu der Schlussfolgerung führen, dass das Duale System seiner Aufgabe nicht mehr gerecht wird. Es gibt bisher jedoch keine Forschungsergebnisse über potentielle Zusammenhänge zwischen nicht-geradlinigen Berufseinstiegsverläufen und vorherigen Erfahrungen in der dualen Berufsausbildung.

Dieses Poster zeigt erste Arbeitsschritte und –ergebnisse mit einem Forschungsansatz, der auf Modellen und Konzepten des britischen Bildungssoziologen Basil Bernstein (1977, 1990, 2000) basiert. Bernsteins Konzepte sind in der Lage, mit einer einheitlichen Sprache makro- und mikrosoziologische Phänomene zu beschreiben und so auch Interrelationen zwischen der makro-sozialen Ebene (für eine Modellierung der makro-sozialen Ebene der deutschen betrieblichen Berufsbildung mit Bernsteins Konzepten siehe Höhns 2013), der strukturellen Gestaltung von kultureller Transmission im weiten Sinne und dem Erwerb einer sozialen Positionierung von Lernenden zu modellieren. Auf diese Weise wird eine Annäherung an die Frage möglich nach einem Zusammenhang zwischen den strukturellen Charakteristika erlebter pädagogischer Praxis im Betrieb und der Herausbildung eines nicht-geradlinigen Berufseinstiegsverlaufs.

Das Poster stellt nach dem Forschungshintergrund und den theoretischen Vorannahmen die empirische Grundlage der Untersuchung sowie die Erhebungsmethode vor: Befragungen von Personen, deren Berufseinstiegsverlauf nicht dem erwartbaren Verbleib im erlernten Beruf entsprach, mit problemzentrierten Interviews (Witzel 1982, Witzel & Reiter 2012), die mit Bernsteins Konzepten als theoretischen Vorannahmen strukturiert wurden. Es zeigt, als Ergebnis einer Inhaltsanalyse der ersten zehn Interviews, berufsunabhängige, auch auf andere Arbeitszusammenhänge transferierbare Lernergebnisse (vgl. Dorau, Höhns et al. 2009; Höhns 2012) und weist auf den noch offen gebliebenen Zusammenhang zur strukturellen Organisation der Ausbildung hin.

Als weiteren Forschungsschritt erläutert das Poster das veränderte Vorgehen bei der Auswertung von 30 weiteren, ähnlich strukturierten Interviews. Es zeigt die Konturen des in einer iterativen Bewegung zwischen den Interviews, den Bernstein’schen Konzepten sowie weiterer Literatur entwickelten Instruments, einer Serie von Typologien pädagogischer Kommunikation in der betrieblichen pädagogischen Praxis, die sich von bisher erarbeiteten Typologien für pädagogische Kommunikation in anderen Vermittlungskontexten (Morais und Neves, z.B. 2010; Gamble 2004) unterscheiden (Höhns, eingereicht).

Schließlich nennt das Poster Forschungsdesiderata zur Verfeinerung dieses Instruments, damit es als heuristisches Werkzeug zur Analyse einzelner Interviews eingesetzt werden und wohlbegründete Erklärungshypothesen für einen möglichen Zusammenhang zwischen Ausbildungserfahrungen und nicht-geradlinigem Berufseinstiegsverlauf liefern kann.

Literatur:

Bernstein, B. (1977). Class, Codes and Control, Vol. III. (Revised ed.). London: Routledge & Kegan.

Bernstein, B. (1990). Class, Codes and Control, Vol. IV. London, New York: Routledge.

Bernstein, B. (2000). Pedagogy, Symbolic Control and Identity (Revised ed.). Boston: Rowman & Littlefield.

Castel, R. (2000). Die Metamorphosen der sozialen Frage. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.

Dorau, R., Feller, G., & Höhns, G. (2009). Berufliche Entwicklungen junger Fachkräfte nach Abschluss der Ausbildung. Bundesinstitut für Berufsbildung. http://www2.bibb.de/tools/fodb/pdf/eb_21201.pdf

Gamble, J. (2004). Tacit Knowledge in Craft Pedagogy. unpublished PhD. University of Cape Town.

Höhns, G. (2012). Wohin orientiert betriebliche Bildung? In U. Gellert & M. Sertl (Hrsg.), Zur Soziologie des Unterrichts. Weinheim: Juventa

Höhns, G. (2013). Ordnung und Steuerung der betrieblichen Berufsbildung in Deutschland im Prisma der Konzepte Basil Bernsteins. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, 25, 1-19.

Höhns, G. (eingereicht): The relevance of discourse for the pedagogic practice. Journal for Vocational Education and Training.

Morais, A., & Neves, I. (2010). Basil Bernstein as an inspiration for educational research. In P. Singh, A. Sadovnik & S. Semel (Hrsg.), Toolkits, Translation Devices and Conceptual Accounts. New York: Lang.

Witzel, A. (1982). Verfahren der qualitativen Sozialforschung. Frankfurt/New York: Campus.

Witzel, A., & Reiter, H. (2012). The problem-centered interview. London: Sage.



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