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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2018

Thematisches Forum

Junge Mütter und Ausbildung – ein Widerspruch?

Von:
Landauer, Doris; Arbeitsmarktservice (AMS) Wien
Steiner, Mario; Institut für höhere Studien (IHS-EQUI)
Erhard, Anita; Arbeitsmarktservice (AMS) Wien
Artschlag, Silvia; ZIB-Training, Bildungsinstitut (ZIB)


Ein gelungenes Angebot für die schwer erreichbare Zielgruppe der jungen Mütter stellt sich zur Diskussion. Was lässt sich aus den Erfahrungen des Pilotprojektes „Job Navi – Ausbildungswege für junge Mütter“ für die Bildungslandschaft generell lernen?

Frühe Elternschaft ist einer der schwerwiegendsten Risikofaktoren für frühen Bildungsabbruch. Frühe Elternschaft stellt dabei nicht nur aktuell für die betroffenen Personen, die Wirtschaft und die Gesellschaft eine der höchsten Herausforderungen dar, sondern wirkt auch auf die bereits geborene nächste Generation und vermutlich auch noch darüber hinaus. Bildung wird in Österreich in sehr hohem Maße „vererbt“, was heißt, nicht die kognitiven oder sonstigen Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen entscheiden darüber, welche Schullaufbahn eingeschlagen wird und wie lange sie erfolgreich im Bildungssystem verbleiben, sondern die Bildung der Eltern und deren soziale Lage.

Die theoretischen Erklärungsansätze dieser empirischen Phänomene sind vielfältig und kontroversiell.

Das Ergebnis dieser Prozesse stellt eine sozial unterschiedliche Verteilung von Bildungsabschlüssen dar, wodurch bestehende Machtverhältnisse verfestigt werden. In dieser durch Bildung grundgelegten gesellschaftlichen Hierarchie finden jene die schwierigsten Voraussetzungen und bescheidensten Entwicklungsmöglichkeiten vor, die vorzeitig ihre Bildungslaufbahn abgebrochen haben und von Bildungsarmut betroffen sind.

Da demokratische Gesellschaften ihre Legitimität jedoch aus der Chancengleichheit bzw. zumindest dem Versuch diese herzustellen, beziehen, liegt es an den Hilfesystemen, das Phänomen der Bildungsarmut zu kompensieren.

Mit dem Projekt „Job Navi – Ausbildungswege für junge Mütter“ wurde versucht, innovative Wege zu gehen und Neues zu erproben. Die Rahmenbedingungen wurden soweit wie möglich an die herausfordernden Bedarfe – aber auch an die Bedürfnisse und Erwartungen – der jungen Mütter angepasst, um sie erfolgreich zu einem Sekundarabschluss II begleiten zu können.

Junge Mütter gehören nebst schwieriger Ausgangslage aber auch zu jenen Zielgruppen, die am schwersten für arbeitsmarktpolitische Aktivitäten ansprechbar sind. Dies wohl deshalb, weil die Herausforderungen, die junge Mütter ohne ausreichende Ausbildung zu bewältigen haben, im Allgemeinen in den Angeboten am offenen Arbeits- und Bildungsmarkt und oft auch in den arbeitsmarktpolitischen Angeboten des AMS nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Zahlenmäßig stellen sie eine nicht zu unterschätzende Größe dar: 23% aller NEETs sind junge Mütter. Laut AMS-Daten sind allein in Wien 2.490 junge Mütter zwischen 15 und 25 Jahre ohne Sekundarabschluss II. Die Chance auf weitere Ausbildung und die dementsprechende Palette an Bildungsangeboten ist – möglicherweise auch aufgrund der schweren Erreichbarkeit der Betroffenen – dürftig. Die Aussicht, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbseinkommen ohne abgeschlossener Ausbildung aktiv bestreiten zu können, ist in Anbetracht eines dreifach erhöhten Arbeitslosigkeitsrisikos gering qualifizierter junger Menschen aber denkbar schlecht. Und dies gilt – bei ursprünglich gleichen Ausgangsvoraussetzungen – dann auch das gesamte Berufsleben lang. Die erwartbaren Konsequenzen sind Armut und soziale Ausgrenzung.

Das an die eingangs beschriebenen Voraussetzungen angepasste Projekt „Job Navi – Ausbildungswege für junge Mütter“ wird seit Jänner 2017 umgesetzt und begleitend evaluiert. Eine erste und zweite Bilanz liegen vor. Die Ausgestaltung dieses Projektes wurde in breiter Kooperation mit ExpertInnen aus dem Bereich sozialer Arbeit, Arbeitsmarkt, Frauen, Soziales, Jugendwohlfahrt und in Abstimmung mit Ergebnissen aus Vorstudien entwickelt, und soll neben dem eigentlichen Zweck auch der Hypothesenbildung für die Entwicklung arbeitsmarkt- und bildungspolitischer Zugänge zur Erreichung systemferner und ausgrenzungsgefährdeter und auch bereits ausgegrenzter Jugendlicher dienen. Dies bildet die Ausgangsbasis des im Zentrum des thematischen Forums stehenden Projektes.

Welche Erkenntnisse lassen sich aus diesem Projekt für andere Bildungsaktivitäten nutzbar machen? Was lässt sich daraus generell lernen? Können diese Erfahrungen auch auf andere schwer erreichbare Zielgruppen umgelegt werden?

In kurzen Impulsreferaten werden möglichst viele wesentliche Aspekte fokussiert aufgegriffen, Theorie und Praxis gleichermaßen abgedeckt und zur Diskussion gestellt.

In der Reihenfolge ihres Auftretens:

Doris Landauer (AMS Wien) beschäftigt sich seit 2010 ausschließlich mit Jugendlichen, die keine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung abgeschlossen haben, forscht praxisbezogen zu den unterschiedlichen diesbezüglichen Problemlagen und initiiert Projekte wie das hier präsentierte. Sie gibt Einblicke in die Auswirkungen, die es hat, wenn Projekte wie dieses nicht realisiert würden, Stichwort lebenslange Folgen von Bildungsarmut, und skizziert den Entstehungsprozess des Projektes Job Navi. Sie steckt überdies auch als Moderatorin den thematischen Rahmen ab.

Mario Steiner (IHS-EQUI) beleuchtet den makrostrukturellen Kontext der Maßnahme und skizziert die theoretischen Erklärungsansätze. Er beschäftigt sich in seinem Beitrag mit dem Ausmaß und der Verteilung des frühen Bildungsabbruchs, streift die theoretischen Erklärungsmodelle und geht auf die Frage der sozialen Vererbung von Bildung und Bildungsarmut ein. Dabei werden nach Jahrzehnten der Bildungsexpansion empirische Tendenzen zunehmender Reproduktion auch und vor allem nach geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten aufgezeigt. Er forscht seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet. Mit dem Thema seiner Dissertation „Von der Chancengleichheit zur Ausgrenzung: Ein sozialer Fortschritt im Bildungssystem? Eine theoretische und empirische Aufarbeitung.“ hat er 2017 seinen „PhD“ erlangt. In diesem Forum gibt er Einblicke in seine Forschungsergebnisse zu diesem Thema.

Anita Erhard (AMS Wien) ist seitens des AMS verantwortlich für das Projekt „Job Navi – Ausbildungswege für junge Mütter“ und wacht über dessen Durchführung und filtert allgemein gültige Erkenntnisse heraus, die sich auch auf andere Zielgruppen umlegen lassen. Sie wird über die inhaltlichen Besonderheiten des Konzepts, dessen Umsetzung und die Ergebnisse der Evaluierung von Job Navi referieren.

Silvia Artschlag (Projektträger ZIB Training) ist Projektleiterin auf Seiten des Bildungsträgers und gibt Einblicke in den täglichen Projektalltag von „Job Navi“. Ihre Aufgabe ist es auch, Problemfelder frühzeitig zu erkennen, aufzugreifen und angemessene Interventionen zu planen und einzusetzen, um die Motivation der jungen Mütter aufrecht zu erhalten und Abbrüche der Ausbildung nach Möglichkeit zu verhindern.



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