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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2018

Thematisches Forum

Die Rolle der Reflexion im (Berufs-)Bildungsprozess

Von:
Riebenbauer, Elisabeth; Karl-Franzens-Universität Graz, Österreich
Jahncke, Heike; Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Deutschland
Naeve-Stoß, Nicole; Universität zu Köln, Deutschland
Stock, Michaela; Karl-Franzens-Universität Graz, Österreich
Wagenhofer, Thomas; Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule Weiz, Österreich


Einem reflexiven Bildungsverständnis folgend ist Bildung etwas, „das Menschen mit sich und für sich machen: Man bildet sich. Ausbilden können uns andere, bilden kann sich jeder nur selbst. Eine Ausbildung durchlaufen wir mit dem Ziel, etwas zu können. Wenn wir uns dagegen bilden, arbeiten wir daran, etwas zu werden – wir streben danach, auf eine bestimmte Art und Weise in der Welt zu sein.“ (Bieri 2005, Klappentext) Die reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen (Lern-)Biographie bzw. dem eigenen (Berufs-)Bildungsprozess gilt insbesondere für angehende Lehrende als Schlüsselelement ihrer Ausbildung bzw. beruflichen Bildung (Wintersteiner 2002). In der Wirtschaftspädagogik orientiert sich die Entwicklung von Professionalität an drei aufeinander verweisenden Dimensionen: 1. Differenziertes und integriertes Wissen und Können in relevanten Handlungsfeldern, 2. (Selbst-)kritisch-experimentelle Haltung und Bereitschaft zu Reflexion und 3. Pädagogisches Ethos und balancierende Identität (Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der DGfE 2003). Gerade der Aufbau einer selbstkritischen Haltung und die Bereitschaft zur Reflexion stellt große Anforderungen an Studierende, da die Fähigkeit und der Wille die eigene Kompetenzentwicklung zu analysieren, eigene Überzeugungen kritisch zu hinterfragen und den eigenen (Berufs-)Bildungsprozess zu reflektieren, mit viel Anstrengung, Mühe und entsprechenden Werthaltungen verbunden sind. Der positive Effekt eines gelingenden Aufbaus einer solchen Haltung ist dabei jedoch keineswegs auf die Ausbildung für die künftige Tätigkeit als Lehrende(r) limitiert, sondern wirkt vielmehr auch positiv auf die Bildung jenseits der beruflichen Sphäre. Die Fähigkeit zu reflektieren ist jedoch nicht angeboren, sondern muss über einen längeren Zeitraum hinweg sukzessive gefordert und gefördert werden bzw. bedarf einer Anleitung, Begleitung und Übung (vgl. z.B. Bräuer 2000; Jahncke, Slopinski & Hüsing 2015; Roters 2012; Riebenbauer & Stock 2013; Wyss 2013).

Die wissenschaftliche Berufsvorbildung im Bereich Wirtschaftspädagogik ist mehrfachqualifizierend bzw. polyvalent ausgerichtet. Sie umfasst die klassischen vier Säulen (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaft und schulpraktische Phase), deren Zusammenwirken zu einer ganzheitlichen Kompetenzentwicklung entsprechende Reflexionsprozesse erfordert. Dieses Forum soll die Bedeutung der Reflexion im (Berufs-)Bildungsprozess aus mehreren Perspektiven beleuchten und verschiedene Zugänge zur Förderung von (Selbst-)Reflexion vorstellen, die in unterschiedlichen Phasen und in unterschiedlichen didaktisch-methodischen Settings zum Einsatz kommen.

Überblick über die im Forum verankerten Einzelbeiträge

Heike Jahncke, B. Sc., M. Sc. (Universität Oldenburg): Beförderung von (Selbst-)Reflexion mittels gezielter Reflexionsanlässe im Rahmen eines Kompetenzentwicklungsportfolios:

Das gezielte Anregen von (Selbst-)Reflexion ist essentiell für die Entwicklung beruflicher Professionalität wie auch die Selbstbildung jenseits des Beruflichen. Eine solche Anregung erfolgt am Standort Oldenburg durch ein Kompetenzentwicklungsportfolio mit gezielten Reflexionsanlässen. Diese basieren auf definierten Gestaltungskriterien. Um (Selbst-)Reflexionsfähigkeit und deren Entwicklung zu Beginn und im Verlauf des Studiums einzuordnen, bedarf es auch einer Messbarkeit. Hierzu wurde ein eigenes Kompetenzstruktur- und -stufenmodell entwickelt und mit Daten aus den Reflexionsanlässen empirisch validiert. Im Forum sollen die Reflexionsanlässe als Teil des Kompetenzentwicklungsportfolios samt Gestaltungskriterien sowie das Kompetenzstruktur- und -stufenmodell inklusive Einschätzung des Status Quo der (Selbst-)Reflexionsfähigkeit der Studierenden (n =265) präsentiert und diskutiert werden.

Prof. Dr. Nicole Naeve-Stoß (Universität zu Köln): Reflexives Lernen in Praxisphasen – Konzeptionelle Überlegungen und Einblicke in Reflexionsprozesse von Studierenden:

Schulpraktische Studien können dazu beitragen, dass Studierende eine (selbst-)kritisch-experimentelle Haltung sowie die Bereitschaft zu reflexiver Praxis entwickeln, damit sie zu einem theoriegeleitet-reflexiven, erfahrungsoffenen und verantwortlichen Handeln im späteren – sich permanent verändernden – berufspädagogischen Handlungsfeld befähigt werden. Dafür kommt es aber darauf an, dass sich Studierende (er-)forschend und reflexiv mit der schulischen Praxis auseinandersetzen (vgl. z.B. Fichten 2016; Naeve-Stoß/Tramm 2016; Weyland & Wittmann 2016).

Im Forum soll aufgezeigt werden, wie ein reflexives Lernen im Studium von zukünftigen Lehrkräften an beruflichen Schulen so angelegt werden kann, dass reflexive Bildungsprozesse stattfinden. Zudem werden Ergebnisse von Evaluationen (an den Studienstandorten Hamburg und Köln) vorgestellt, über die Einblicke in studentische Reflexionsprozesse sowie deren Strategien im Umgang mit Reflexionsimpulsen gegeben werden können.

Univ.-Prof. Mag. Dr. Michaela Stock & Ass.-Prof. Mag. Dr. Elisabeth Riebenbauer (Karl-Franzens-Universität Graz): Reflexion im Schulpraktikum – Konzept und eingesetzte Instrumente:

Studierende der Wirtschaftspädagogik werden bei Theorie-Praxis-Übergängen am Standort Graz durch unterstützende Konzepte begleitet. Einen solchen Übergang stellt das im Studium verankerte Schulpraktikum dar, indem praktische Erfahrungen an der Schule mit einer systematischen, theoriegeleiteten Auseinandersetzung einhergehen und die Studierenden den Übergang von der Kompetenz zur Performanz unter wissenschaftlicher Begleitung und Reflexion erfahren und bewältigen können. Durch den Einsatz verschiedener Instrumente werden die (Berufs-)Bildungsprozesse der Studierenden vorbereitet, individuell begleitet und nachbereitet (vgl. Riebenbauer & Stock 2013). Im Forum sollen das Konzept, die eingesetzten Instrumente (z.B. Lerntagebuch, Raster Kompetenzentwicklung, eKompetenzentwicklungsportfolio) sowie ausgewählte Ergebnisse von zwei Begleitstudien präsentiert und diskutiert werden.

Mag. Thomas Wagenhofer (BHAK/BHAS Weiz): Begleitung von Reflexionsprozessen an der Schule:

Im Rahmen der schulpraktischen Phase an einer berufsbildenden Schule werden die Studierenden der Wirtschaftspädagogik angehalten, das erlebte Unterrichtsgeschehen zu reflektieren. Im Forum soll aus der Perspektive einer Betreuungslehrkraft über Erfahrungen bei der Begleitung von Reflexionsprozessen berichtet werden. Darunter fallen unterschiedliche Formen der Reflexion wie z.B. die Selbstreflexion der Studierenden, die kollegiale Reflexion im Praktikumstandem, die Reflexion durch die Betreuungslehrkraft sowie Reflexionsgespräche zwischen Betreuungslehrkraft und Studierenden anhand des Rasters Kompetenzentwicklung, dessen Einsatz im Praxisalltag erläutert wird.

Zusammenführung und Abschluss

Basierend auf den vorgestellten curricularen Konzepten und empirischen Ergebnissen von Begleitstudien an drei Standorten werden in der abschließenden Diskussion (Diskussionsleitung: Elisabeth Riebenbauer) zentrale Gelingensbedingungen und praktische Implikationen für die nachhaltige Entwicklung einer reflexiven Haltung bei Studierenden herausgearbeitet. Im Dialog mit dem Publikum sollen die Rolle der Reflexion zwischen Bildung und Ausbildung sowie mögliche Weiterentwicklungspotenziale zur Unterstützung von Reflexionsprozessen kritisch diskutiert werden.



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