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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2014

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Paper

Effekte generativer Fertigungsverfahren für die berufliche Aus-und Weiterbildung

Von:
Marschall, Herbert; Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Paper Session: 2
Zeit: Donnerstag, 03.07.2014, 17:15 - 19:15
Ort: FH Seminarraum 2
Typ: Paper



Folgt man den Aussagen der öffentlichen Medienberichterstattung (bspw. Spiegel 2012, Heft 52, S.70-73; Der Tagesspiegel, 22.03.2014) steht das produzierende Gewerbe vor einer revolutionären Veränderung. Die Generative Fertigung ermöglicht durch die Schichtdrucktechnik die direkte Herstellung komplexer Bauteile in einem Arbeitsschritt ohne weitere abtragende oder formende Bearbeitungsschritte. Hierdurch ist die wirtschaftliche Anfertigung kleiner Chargen und die Umsetzung spezifischer Kundenwünsche im Sinne einer „Freiheit des Designs“ möglich. Diese technische Innovation hat allerdings nicht nur Auswirkungen auf die Produkte und Produktpalette, sondern sie verändert im nicht geringeren Ausmaß auch die Produktionsverfahren. Mit der Einführung und Verbreitung Generativer Fertigungsverfahren könnten industrielle Produktionsverfahren und Wertschöpfungsketten neu geordnet werden. Einzelne Herstellungsschritte könnten Fertigung in einem Arbeitsschritt zusammengeführt, andere Verfahren oder Prozessabschnitte vollständig ersetzt werden. (vgl. Gebhardt 2013).

Produktionstechnologische Veränderungen bedingen und erfordern Veränderungen des gesamten Produktionssystems und damit auch der Organisation und der Qualifikation (vgl. Pfeifer 2010; Baetghe/Baetghe-Kinsky 2006). Offen und weitestgehend unerforscht ist der Stand der Implementierung und Verbreitung Generativer Fertigungsverfahren in industrielle Produktionssysteme sowie deren industrie- und arbeitssoziologischen Effekte. Der Produktionsablauf und die Architektur klassischer Werk- und Produktionsstraßen sowie der Aufbau von Organisationen bis hin zur An- und Einbindung der Zulieferindustrie könnten durch eine tiefgreifende Einbindung Generativer Fertigungsverfahren aufgebrochen und neu justiert werden. In der Folge würden auch Gelenk- und Kommunikationsstellen zwischen den innerbetrieblichen Akteurs- und Beschäftigtengruppen neu justiert werden. Aber auch die Kommunikation und Kooperation mit und die Beziehung zu Akteuren außerhalb des Betriebs wird sich ändern. Die Fertigung komplexer Bauteile ermöglicht es den Unternehmen ausgelagerte Herstellungsverfahren zu re-integrieren und den Produktionsprozess zu re-zentralisieren. (vgl. Roland Berger Strategy Consultans 2013; Gausemeier et al. 2011).

Aus Sicht der Berufsbildungsforschung sind diese skizzierten Veränderungspotentiale virulent, da sich diese in den Qualifikations- und Kompetenzanforderungen und -profilen der Beschäftigten(gruppen) und letztendlich auch in den Berufsbildern und Aus- und Fortbildungsordnungen niederschlagen können. Offen ist, ob es zu einer De-Qualifizierung und „Entberuflichung“ in der industriellen Arbeitswelt kommen wird oder ob und inwiefern diese Entwicklungen auf individueller, betrieblicher und systemischer Ebene kompensiert und adaptiert werden (können). Am Arbeitsplatz ist das unmittelbare Anpassungsvermögen in Form des Lernens im Prozess der Arbeit bis hin zum systematischen Anlernen und Unterweisen entscheidend. Auf der Ebene des Betriebssystems sind geplante, systematische Weiterbildungsmaßnahmen annehmbar.

In dem Vortrag sollen erste empirische Befunde und Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt „Generative Fertigung in Deutschland“ zum Stand der Implementierung in deutschen Unternehmen und den festzustellenden Anpassungsprozessen auf betrieblicher Ebene präsentiert werden. Mittels Expertengesprächen wurden hierzu zunächst das Feld und der Forschungsgegenstand exploriert, um auf dieser Basis eine online-gestützte Unternehmensbefragung in ausgewählten Wirtschaftszweigen durchführen zu können. Die so erzielten Erkenntnisse sollen in Betriebsfallstudien arrondiert und der Erkenntnisgewinn verdichtet werden. Im Fokus stehen dabei die Identifizierung und Diagnose von Veränderungen in der Arbeitsorganisation und in den Arbeitsbedingungen hinsichtlich der erforderlichen Qualifikations- und Kompetenzanforderungen sowie die Ermittlung von Qualifizierungsbedarfen und -inhalten.

Literatur

Baethge, Martin/ Baethge-Kinsky, Volker (2006): Ökonomie, Technik, Organisation: Zur Entwicklung von Qualifikationsstruktur und Qualifikationsprofilen von Fachkräften. In: Arnold, Rolf/ Lipsmeier, Antonius (Hrsg.): Handbuch der Berufsbildung, Wiesbaden, S.153-173.

Gausemeier, Jürgen et al. (2011): Thinking ahead the Future of Additive Manufacturing – Analysis of Promising Industries, Paderborn Gebhardt, Andreas (2013): Generative Fertigungsverfahren: Additive Manufacturing und 3D Drucken für Prototyping - Tooling – Produktion. Auflage: 4., vollständig überarbeitete Auflage. München.

Pfeiffer, Sabine (2010): Technisierung von Arbeit. In: Böhle, Fritz/Voß, Günter G./Wachtler, Günther (Hrsg.): Handbuch Arbeitssoziologie. Wiesbaden, S. 231-261.

Roland Berger Strategy Consultans (2013): Additive manufacturing: A game changer for the manufacturing industry? München.



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