Abstracts 2012
Forum 2.2
Effekte der nachfrageorientierten Weiterbildungsförderung für Beschäftigte und Betriebe – Methodische Herausforderungen und Interpretationen vorliegender Ergebnisse
Von:Klein, Rosemarie; Büro für berufliche Bildungsplanung Dortmund, Deutschland
Käpplinger, Bernd; Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
Markowitsch, Jörg; 3s Unternehmensberatung GmbH Wien, Österreich
Session: 2
Zeit: Donnerstag, 05.07.2012, 16:30 - 18:30
Ort: MAW - Mittlerer Saal
Typ: Forum
Downloads: Präsentation als PDF (1), Präsentation als PDF (2)
Einer der wichtigsten Orte des Lernens Erwachsener ist der Betrieb (vgl. CEDEFOP 2010, Behringer/Käpplinger/Pätzold 2009). Die Weiterbildungsinvestitionen von Betrieben liegen in Deutschland gegenwärtig bei schätzungsweise ca. 30% der Gesamtausgaben für Weiterbildung, während der Staat 21%, die Individuen 38% und die Bundesagentur für Arbeit 11% aufbringen (Beicht/Berger/Moraal 2005, S. 264). In der Praxis lassen sich die Finanzströme selten so klar trennen (Balzer 2001). Das Thema Mischfinanzierung gewinnt zunehmend an Bedeutung (Timmermann 2003). Öffentliche Förderprogramme sind in der Regel keine Vollfinanzierungen, sondern sie sollen individuelle und/oder betriebliche Eigenanteile stimulieren, um die individuelle und betriebliche Weiterbildungsbeteiligung zu erhöhen (s. Käpplinger 2007). Besonders seit Mitte der 90er Jahre zeigen sich auf nationaler und auf europäischer Ebene verstärkt Bemühungen, durch gezielte und erhöhte Investitionen in die Beschäftigten die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Beschäftigungsfähigkeit der Individuen zu sichern und zu erweitern. Die Einsicht, dass im rohstoffarmen Europa das Qualifikations- und Kompetenzniveau der Beschäftigten einen wichtigen Konkurrenzvorteil darstellt, hat zu einer Vielzahl von Programmen und Vorhaben geführt, um insbesondere die Beschäftigten in Klein- und Mittelunternehmen (KMU) durch beruflich-betriebliche Weiterbildung zu fördern. Dabei hat sich bildungsprogrammatisch und realiter das relative Gewicht von der Angebots- zur Nachfrageorientierung verschoben. Gutscheinprogramme und Fondslösungen haben derzeit eine hohe Bedeutung in arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Diskursen.
Hier setzen wir mit unseren Untersuchungen an. Durch eine international angelegte Analyse von Förderstrukturen sowie Effekten und Wirkungsweisen verschiedener Förderprogramme werden Erkenntnisse über die Wirksamkeit und den Nutzen der verschiedenen nachfrageorientierten Förderstrategien auf der Ebene der Beschäftigten, der Betriebe und der Politik generiert. In einer vergleichenden Analyse von Gutscheinprogrammen (s. Haberzeth/Kulmus/Stanik 2012) soll herausgearbeitet werden, inwieweit die Ziele spezifischer Förderprogramme und die mit ihnen intendierten und nicht-intendierten Wirkungen (vgl. Meier u.a. 1998) erreicht werden bzw. welche Faktoren förderlich oder hinderlich sind.
Dabei geht es maßgeblich darum, die Erfahrungen und Erkenntnisse mehrerer deutschsprachiger europäischer Partnerländer zu analysieren und potenzielle Transfermöglichkeiten (vgl. Turbin 2001) wissenschaftlich zu fundieren. In den Blick genommen werden laufende Förderprogramme in Österreich, im deutschsprachigen Italien (Südtirol) und in der Schweiz sowie ausgewählte Gutscheinprogramme in der Bundesrepublik Deutschland auf Länderebene. (www.effekte-projekt.de)
Forum (90 Min.) – Moderation Gerhard Reutter (Büro für berufliche Bildungsplanung, Dortmund)
• Rosemarie Klein/ Alla Koval (Büro für berufliche Bildungsplanung, Dortmund): „Die Effekte nachfrageorientierter öffentlicher Programmförderung auf die Nutzergruppe ‚Geringqualifizierte’ –Ergebnisse einer Wirkungsstudie zum Bildungsscheck NRW“ (ca. 15 Min.)
• Bernd Käpplinger/Erik Haberzeth/Claudia Kulmus (Humboldt-Universität Berlin): "Die Effekte nachfrageorientierte Finanzierung auf das individuelle Weiterbildungsentscheidungsverhalten und die Angebotsstrukturen in der Weiterbildung – Ergebnisse einer Wirkungsstudie zum Bildungsscheck Brandenburg" (ca. 15 Min.)
• Günter Hefler/Jörg Markowitsch/Viktor Fleischer (3s Wien): „Zwischen Diffusion, Hybridisierung und lokaler Innovation - Nachfrageorientierte Weiterbildungsförderung der österreichischen Bundesländer (1995-2012) aus institutionalistischer Perspektive“ (ca. 15 Min.)
• Werner Pramstrahler (AFI Bozen): „Die Koexistenz nachfrage- und anreizorientierter Finanzierungsformen am Beispiel Südtirol: Verdrängung oder Kooperation?“ (ca. 15 Min.)
Diskussion (ca. 30 min.)
Hier eine Kurzbeschreibung der einzelnen Beiträge:
Rosemarie Klein und Dr. Alla Koval (bbb Dortmund) stellen auf der Basis der leitenden Forschungsprämissen des Effekte-Forschungsprojektes die Anlage der Untersuchung der Wirkungs-Teilstudie zum Bildungsscheck NRW und Ergebnisse zur Diskussion.
Prof. Bernd Käpplinger, Dr. Erik Haberzeth und Claudia Kulmus (HU Berlin) werden die Anlage ihrer Wirkungs-Teilstudie zum Bildungsscheck Brandenburg und seine Wirkungen auf die Angebotsstruktur durch das Entscheidungsverhalten der Nutzer präsentieren. Die Studie wird seit November 2011 durchgeführt. Die methodische Anlage und Ergebnisse werden im Mittelpunkt der Diskussion stehen.
Mag. Günter Hefler, Dr. Jörg Markowitsch und Mag. Viktor Fleischer (3s) gehen Ihren Beitrag wie folgt an: Wie für andere Politikbereiche bedeutet der EU-Beitritt Österreichs 1995 für die ‚Erwachsenenbildung’ und deren öffentliche Förderung eine zentrale Zäsur. Binnen weniger Jahre bilden sich neue Ansätze in der Arbeitsmarktpolitik, der Wirtschafts- und Innovationsförderung und der Regional- und Strukturpolitik heraus. Neue Hybridräume (Djelic & Sahlin-Andersson 2006) rund um Förderschienen wie den Europäischen Sozialfonds oder den Europäischen Strukturfonds entstehen. Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag aus institutionalistischer Sicht (Morgan et.al 2010) und auf Grundlage von Programmanalysen, Interviews mit Programmverantwortlichen sowie mit Pionieren des Feldes die Entwicklung nachfrageorientierter Weiterbildungsförderungsprogramme für Individuen in Österreich im Zeitraum 1995-2012 und geht Fragen nach wie: Zu welchen unterschiedlichen Formen von „policy learning“ ist es gekommen und wie sind sie zu erklären? Wie kommt es zu den Unterschieden in den Förderungsdetails? Wie beurteilen Akteure mit unterschiedlicher Ausrichtung den Erfolg der Förderungsangebote?
Werner Pramstrahler vom AFI-IPL in Bozen wird diesen Beitrag einbringen: Die Koexistenz nachfrage- und anreizorientierter Finanzierungsformen am Beispiel Südtirol: Verdrängung oder Kooperation? In Südtirol koexistieren nachfrageorientierte öffentliche Finanzierungsformen – etwa die Bildungsgutscheine für Kleinbetriebe und Individuen – mit den Maßnahmen der sich entwickelnden anreizorientierten kollektivvertraglich verwalteten Bildungsfonds. Mit welchen formellen und informellen Prozessen koordinieren die Akteure diese umfassende Förderlandschaft? Welche Informationen über Effekte nehmen die Akteure wahr und wie ist der entsprechende Informationsfluss organisiert?
Durch dieses Forum möchten wir jene KonferenzteilnehmerInnen ansprechen, die einen kritisch-konstruktiven Dialog über die methodische Anlage und die Interpretation der Ergebnisse von Wirkungsstudien (vgl. auch Schmid 2008) wünschen. Dabei soll besondere Beachtung finden, was Wirkungsforschung und Evaluationsforschung gemeinsam haben und was sie unterscheidet. Gleichzeitig möchten wir den Dialog und die Vernetzung mit Forscher/innen im Bereich der Evaluationsforschung suchen.
Referenzen
Balzer, C. (2001): Finanzierung der Weiterbildung. Frankfurt am Main: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, URL: http://www.diefrankfurt.de/esprid/dokumente/doc-2001/balzer01_01.pdf[letzter Zugriff. 08.12.2011].
Behringer, Friederike/Käpplinger, Bernd/Pätzold, Günter (Hrsg.): Betriebliche Weiterbildung - der Continuing Vocational Training Survey (CVTS) im Spiegel nationaler und europäischer Perspektiven. Beiheft der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Band 22, Stuttgart 2009.
Beicht, U./Berger, K./Moraal, D, (2005).: Aufwendungen für beruflich Weiterbildung in Deutschland. In: Sozialer Fortschritt 10-11, S. 256-265.
CEDEFOP (Hrsg.): Employer-provided vocational training in Europe. Research paper No. 2, Luxembourg 2010. URL: http://www.cedefop.europa.eu/EN/Files/5502_en.pdf [Abrufdatum 9.12.2011].
Djelic, Marie-Laure & Sahlin-Andersson, Kerstin (2006): Transnational governance. institutional dynamics of regulation, Cambridge, Cambridge University Press.
Fleischer, Viktor, Hefler, Günter & Markowitsch, Jörg (2010): Wissensempowerment - Förderung der beruflichen Weiterbildungskompetenz und Weiterbildungsmotivation von bildungsfernen Personengruppen in Wien. Wien, 3s research laboratory.
Haberzeth, E./Kulmus, C./Stanik, M. (2012): Bildungsgutscheine für Beschäftigte und Betriebe – Förderbedingungen, Nutzungsprobleme und Supportansätze. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 1, S. 31-34.
Käpplinger, B. (2007): Käpplinger, Bernd: Welche Betriebe in Deutschland sind weiterbildungsaktiv? Nutzung des CVTS2-Datensatzes zur Analyse der betrieblichen Weiterbildung. Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten, Research Note No. 6. URL: http://www.ratswd.de/download/RatSWD_RN_2007/RatSWD_RN_06.pdf [Zugriff am 24.02.2012]
Meier, A./Böhmer, S./Möller, B./Neuberg, K. (1998): Weiterbildungsnutzen. Über beabsichtigte und nicht beabsichtigte Effekte von Fortbildung und Umschulung. Berlin: trafo verlag
Morgan, Glenn, Campbell, John , Crouch, Colin Ove, Pedersen, Kaj & Whitley, Richard (Eds.) (2010) The Oxford handbook of comparative institutional analysis, Oxford, Oxford University Press.
Schmid, Kurt (2008): Zum Nutzen der Weiterbildung - Internationaler Literaturreview & individuelle Weiterbildungserträge von TeilnehmerInnen an WIFI-Kursen. ibw-Forschungsbericht Nr. 144, Wien.
Timmermann, D. (2003): Modelle zur Finanzierung lebenslangen Lernens. In: BWP, 32 (2003) 3, S. 19-24.
Turbin, J. (2001): Policy borrowing: lessons from European attempts to transfer training practices. In: International Journal of Training and Development 5:2 (2001), S. 96-111.
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