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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2016

Paper

„Vocational drift“ in der Tertiärbildung: Relevanz arbeitsbezogenen Lernens

Von:
Hippach-Schneider, Ute; BIBB
Schmid, Kurt; ibw, Österreich

Typ: Paper

Phänomene wie Dienstleistungsgesellschaft und Informationsgesellschaft führen zunehmend zu einer Auflösung des Gegensatzpaares „Lernen“ und „Arbeiten“. Bildung und Lernen sind nicht nur eine Vorbereitung auf Arbeit, sondern sie sind auch substantieller Teil der Arbeit und Arbeit ist Teil des Lernens. Dies trifft immer mehr auch auf den beruflichen Tertiärbereich zu.

Der Beitrag befasst sich mit der Frage, inwieweit im tertiären Bildungsbereich von einer „vocational drift“ gesprochen werden kann, obwohl in der öffentlichen Diskussion der Begriff der „Akademisierung“ im Vordergrund steht.

Anhand Österreichs, Deutschlands und Frankreichs wird beispielhaft gezeigt, dass Entwicklungen im tertiären Bildungsbereich nicht unbedingt eine Expansion von akademischer Bildung darstellen. Indikatoren dafür sind einerseits die „institutionelle Akademisierung“, indem vormals im Bereich „klassischer“ Berufsbildung angesiedelte Ausbildungen (bspw. in Österreich: pädagogische Akademien, Sozialakademien, Gesundheitsausbildungen) institutionell in hochschulische Institutionen umgewandelt werden. Andererseits nehmen Angebot und Nachfrage nach neuen Formen/Ausbildungsprogrammen arbeitsbezogenen Lernens (bspw. duale Fachhochschulstudien in Deutschland und Österreich) zu. Auch erfolgt in einem beachtlichen Maße das Lernen in tertiären Bildungsprogrammen in dualen Formen in einem betrieblichen Kontext (bspw. Apprentissage im Rahmen hochschulischer Bildungsgänge in Frankreich).

Diese Entwicklungen spiegeln langfristige Trends wider, sowohl seitens der Wirtschaft / des Arbeitsmarktes als auch aufgrund einer anhaltend sozialen Nachfrage nach tertiären Bildungsabschlüssen. Internationalen Vergleichsstudien (bspw. OECD 2012; Kyvik 2009; Dunkel/Le Mouillour/Teichler 2009; Hippach-Schneider 2014) zufolge, verschwimmen daher die traditionell stark ausgeprägten Grenzen zwischen Berufsbildung und akademischer Bildung in vielen Ländern zunehmend. Davon betroffen sind

• sowohl horizontal die Grenzen zwischen beruflicher und akademischer Bildung

• als auch vertikal die Grenzen zwischen (beruflicher) Erstausbildung und höherer Bildung.

Traditionelle Zuschnitte zwischen Berufsbildung und akademischer Bildung werden also sowohl aus institutioneller Perspektive als auch hinsichtlich ihrer inhaltlichen Zuschnitte zunehmend in Frage gestellt. Der „vocational drift“ im Hochschulbereich führt zu einer Ausdehnung und Verbreiterung des tertiären „akademischen“ Bildungssektors. Dessen inhaltliche Zuschnitte entwickeln sich somit stärker in Richtung beruflicher Ausbildungs-/Qualifizierungskomponenten. Dieser Trend wird vom akademischen Universitätssektor selbst noch verstärkt, indem – als lukratives Geschäftsfeld und zusätzliche Einnahmequelle – postgraduale privat zu finanzierende Programme (MBA, MAS, MSc etc.) angeboten werden, die typischerweise stark beruflich vertiefenden Ausbildungscharakter und -ziele verfolgen (für Österreich vergleiche dazu bspw. Schmid 2014). Zudem führt berufliche Tertiärbildung in vielen Ländern ein Schattendasein in der öffentlichen Wahrnehmung, da sie oftmals im non-formalen institutionellen Bildungssektor stattfindet, was sich in „blinden Flecken“ in der offiziellen Bildungsstatistik niederschlägt. Als Folge zeigt sich, dass berufliche Tertiärbildung vergleichsweise wenig ausgebaut, unterbelichtet und fragmentiert ist (für Österreich: Mayr und Schmid 2014).

Der Beitrag basiert auf einem aktuellen BIBB-/ibw-Forschungsprojekt („Work-based Learning in tertiary education – an international comparative analysis of models and functions” (http://www.bibb.de/en/31221.php). In diesem Projekt wird der tertiäre Bildungsbereich im Hinblick auf Modelle arbeitsbezogener (work-related learning programmes) Bildungsprogramme untersucht sowie deren Funktion(en) im jeweiligen Bildungssystem analysiert. In den Vergleich werden England, Frankreich, Irland, Norwegen, Österreich sowie Polen einbezogen. Methodisch basiert das Projekt neben sekundärstatistischen Analysen auf extensiven leitfadengestützten Interviews nationaler ExpertInnen im Bereich beruflicher/hochschulsicher Tertiärbildung sowie von Akteuren (hochschulische Anbieter, Unternehmen, Studierende) arbeitsbezogener Bildungsprogramme.

Der Beitrag fokussiert auf (neue) Formen/Ausbildungsprogramme arbeitsbezogenen Lernens in der beruflichen Tertiärbildung. Sie können als „harter Indikator“ für die Zunahme beruflicher Ausbildungs-/Qualifizierungsinhalte interpretiert werden. Zudem zeigen sich in diesen Programmen interessante neue Kooperationsformen von sowie ein Zusammenspiel zwischen betrieblich und hochschulisch situierter Ausbildung.

Literatur ist in der Upload-Datei enthalten.



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