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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2016

Paper

Warum entscheiden sich Mädchen mit Spitzenleistungen in Mathematik so selten für eine Höhere Technische Lehranstalt? Ursachen und Folgen von Geschlechterunterschieden bei der Schulwahl

Von:
Salchegger, Silvia; Bundesinstitut für Bildungsforschung - BIFIE
Glaeser, Anna; Bundesinstitut für Bildungsforschung - BIFIE
Widauer, Katrin; Bundesinstitut für Bildungsforschung - BIFIE
Bitesnich, Heide; Bundesinstitut für Bildungsforschung - BIFIE

Typ: Paper

Frauen sind in Berufs- und Bildungsfeldern mit hohem Mathematikbezug unterrepräsentiert. Dies ist ein weltumspannendes Phänomen, trifft aber insbesondere auch auf Österreich zu (OECD, 2015a; Salchegger, 2015). In Österreich lässt sich bereits für die obere Sekundarstufe eine starke Geschlechtersegregation nach Schulformen feststellen (Vogtenhuber et al., 2012), nach der Regel: Je mehr Mathematik desto weniger Mädchen. So werden Schulen mit technischem Schwerpunkt fast ausschließlich von Burschen besucht. Dies ist bemerkenswert, da Geschlechterunterschiede in der mittleren Mathematikkompetenz nur von geringer praktischer Bedeutsamkeit sind (vgl. Else-Quest, Hyde & Linn, 2010; Salchegger, 2015). Weitergehende Forschung zeigt aber auch, dass Mädchen unter den Besten in Mathematik deutlich unterrepräsentiert sind (Stoet & Geary, 2013) und es bedeutsame Geschlechterunterschiede bei Kompetenzprofilen gibt (Wang, Eccles & Kenny, 2013, OECD, 2015b). So verfügen Mädchen mit Spitzenleistungen in Mathematik häufiger auch über hohe sprachliche Kompetenzen als Burschen mit Spitzenleistungen in Mathematik. Wang et al. (2013) zeigten, dass die Wahl mathematikintensiver Berufe in hohem Umfang durch die Kompetenzkonstellation erklärt werden kann: Personen mit hohen mathematischen aber nur moderaten sprachlichen Kompetenzen wählen mathematikintensive Berufe deutlich häufiger als Personen mit hohen mathematischen UND hohen sprachlichen Kompetenzen.

Im vorliegenden Beitrag wird auf Grundlage der PISA-2012-Daten der Frage nachgegangen, welche Bedeutung die Fähigkeitskonstellation in Relation zum Geschlecht und zum sozialen Hintergrund für die Wahl einer Höheren Technischen Lehranstalt (HTL) hat. Die Prüfung dieser Frage erfolgt mittels logistischer Regressionsanalysen. Darüber hinaus werden Unterschiede in der Fähigkeitskonstellation und in der Unterrichtszeit zwischen Burschen und Mädchen untersucht. Die Prüfung dieser Unterschiede erfolgt mittels t-Tests (zur Bestimmung der statistischen Signifikanz) und Effektstärkenmaßen (zur Bestimmung der praktischen Bedeutsamkeit).

Erste Analysen zeigen, dass die Fähigkeitskonstellation in der Tat einen bedeutsamen Einfluss auf die Wahl einer HTL hat: HTLs werden erwartungsgemäß eher dann gewählt, wenn sehr hohe mathematische bei gleichzeitig weniger hoch ausgeprägten sprachlichen Kompetenzen vorliegen – eine Fähigkeitskonstellation, die bei Burschen häufiger auftritt als bei Mädchen. Doch selbst unter Kontrolle des Fähigkeitsprofils, wählen Burschen wesentlich häufiger eine HTL als Mädchen. Eine wichtige Konsequenz der starken Geschlechtersegregation je nach Mathematikbezug einer Schulform ist, dass Mädchen der Mathematikspitzengruppe deutlich weniger Mathematikunterricht erhalten als Burschen der Mathematikspitzengruppe. In Österreich beträgt dieser Unterschied 28 Minuten pro Woche und ist der größte OECD-weit.

Abschließend wird auf mögliche Gründe eingegangen, warum das Geschlecht der Schüler/innen einen stärkeren Einfluss auf die Wahl einer HTL hat als die Leistung bzw. das Leistungsprofil. Darüber hinaus wird diskutiert, wie mehr Geschlechtergerechtigkeit in Bezug auf den Umfang des Mathematikunterrichts hergestellt werden könnte.

Else-Quest, N. M., Hyde, J. S. & Linn, M. C. (2010). Cross-national patterns of gender differences in mathematics: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 136, 103–127.

OECD (2015a). Education at a Glance. Paris, France: OECD Publishing.

OECD (2015b). The ABC of Gender Equality in Education: Aptitude, Behaviour, Confidence. Paris, France: OECD Publishing.

Salchegger, S. (2015). Mathematik ≠ weiblich? Leistung, Selbstkonzept und Studienabschlüsse im Geschlechtervergleich. In B. Suchań, C. Wallner-Paschon & C. Schreiner (Hrsg.), PIRLS & TIMSS 2011 - Die Kompetenzen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaft am Ende der Volksschule (S. 39–54). Graz: Leykam.

Stoet, G. & Geary, D. C. (2013). Sex differences in mathematics and reading achievement are inversely related: Within- and across-nation assessment of 10 years of PISA data. PLoS ONE, 8, e57988. doi:10.1371/journal.pone.0057988

Vogtenhuber, S., Lassnigg, L., Bruneforth, M., Gumpoldsberger, Toferer, B., Schmich, J. … Bergmüller, S. (2012). Indikatoren C: Prozess. In: M. Bruneforth & L. Lassnigg (Hrsg.), Nationaler Bildungsbericht Österreich 2012. Band 1. Das Schulsystem im Spiegel von Daten und Indikatoren (S. 61–107). Graz: Leykam.

Wang, M-T., Eccles, J. S. & Kenny, S. (2013). Not lack of ability but more choice: Individual and gender difference in choice of careers in sciences, technology, engineering, and Mathematics. Psychological Sciences, 24, 770–775.



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