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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2016

Poster

Behind the Scenes: Sprachliche und interkulturelle Berufsbildung für PersonenbetreuerInnen

Von:
Seyer-Weiß, Silvia; ibw - Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, Österreich

Typ: Poster

Der Bedarf an externer Betreuungsleistung für ältere Menschen ist zunehmend am Steigen. Gründe dafür sind die demografisch bedingte Zunahme älterer Menschen, der Rückgang familiärer Pflegekapazitäten durch Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit sowie das gestiegene Bedürfnis nach altersgerechter Versorgung zu Hause. Die damit verbundene wachsende Nachfrage nach Betreuungspersonal wird in Österreich verstärkt durch selbstständige PersonenbetreuerInnen (PB) aus Ost- und Mitteleuropa gedeckt. 2014 gab es in Österreich 50.596 aktive PB (bei insgesamt 60.569 Gewerbeanmeldungen). Der Großteil stammt aus der Slowakei und aus Rumänien. (vgl. WKÖ 2015)

Selbständige PB üben ein freies Gewerbe aus, für das bis dato keine spezifischen Ausbildungen vorgeschrieben sind. Ein Teil der Tätigkeiten, wie Betreuungs- sowie pflegerische Tätigkeiten (Hausarbeit, Zubereiten von Mahlzeiten, Hilfestellung im Alltag, Gesellschafterfunktion u. a.), ist durch §159 der Gewerbeordnung geregelt. Bisherige Studien zeigen, dass im beruflichen Alltag vor allem die sprachlichen und interkulturellen Anforderungen an PB hoch sind (vgl. Neuhaus et. al. 2009, S. 84). Für eine Gewerbeanmeldung sind Deutsch- bzw. interkulturelle Kenntnisse jedoch (noch) keine Vorbedingung. Deutschkenntnisse sind zumeist vorhanden, es fehlt aber vielfach an weitergehenden, für die Berufsausübung notwendigen Sprachhandlungskompetenzen und Wissen über interkulturelle Hintergründe. Adäquate Informations- und Lernmaterialien liegen bis dato kaum vor und/oder sind nicht auf die Muttersprache der PB bzw. die Betreuungssituation zugeschnitten.

Daher setzte sich das Projekt „BID - BetreuerInnenqualifizierung in Deutsch. Sprachliche und interkulturelle Kompetenzen für PersonenbetreuerInnen aus Osteuropa“ zum Ziel, Lern- und Informationsmaterialien für diese Berufsgruppe in den Sprachen Deutsch, Bulgarisch, Polnisch, Slowakisch, Tschechisch, Ungarisch und Rumänisch zu erstellen. Bei den Lernmaterialien liegt der Fokus auf dem Erlernen der beruflichen Sprache sowie auf den für den Beruf notwendigen interkulturellen Kompetenzen. Die Informationsmaterialien geben konkrete Auskünfte zu Berufsbild, Unternehmensgründung, Rechte und Pflichten sowie dem Verhalten bei Konflikten. Alle Materialien wurden vorranging zum individuellen Selbststudium konzipiert, da die sozioökonomische Situation von PB eine Teilnahme an Kursen schwierig gestaltet.

Erste Recherchen ergaben, dass kaum Forschungsergebnisse über den Arbeitsalltag von PB vorliegen. Daher wurden im Projekt eingangs rund 50 qualitative Interviews mit PB, Vermittlungsagenturen sowie Aus- und Weiterbildungseinrichtungen durchgeführt. Auf Basis der Interviewergebnisse wurden die wichtigsten Kommunikations- und Interaktionsbereiche des beruflichen Alltags von PB identifiziert und ein Katalog, auf dem die Szenariodidaktik aufbauen kann, (siehe Müller-Trapet 2010), entwickelt. Diese Szenariodidaktik hat sich im Erlernen von Fremdsprachen als sehr hilfreich herausgestellt, da damit authentische bzw. realitätsnahe Situationen in einem Berufsfeld simuliert werden können, um kommunikative Handlungen einzuüben, die die Lernenden in der Ausübung des Berufes benötigen. Somit basieren die Lernmaterialien nicht auf reinen Grammatikübungen, vielmehr werden berufliche Situationen simuliert, in denen die Grammatik impliziert einfließt.

Alle im Projekt erstellten Materialien (Lern- und Informationsmaterialien, Selbsteinstufungstest, Hörtexte, Steckbrief und Lerntagebuch) wurden zu einem Portfolio zusammengefasst und stehen unter http://www.bid-projekt.eu/index.php/de/276 zum Download zur Verfügung.

Das Projekt wurde in den Jahren 2012-2014 mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission sowie des Bundesministeriums für Bildung und Frauen durchgeführt. Das Projektkonsortium bestand aus zehn Einrichtungen der Länder Bulgarien, Deutschland Ungarn, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien und Österreich.

Literatur:

Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über die Betreuung von Personen in privaten Haushalten erlassen werden (Hausbetreuungsgesetz - HBeG) und mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, BGBl. I Nr. 33/2007

Forschungsinstitut des Roten Kreuzes (2012): Meet the Need. Berufsbezogene Materialien für den Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht. Wien. Gefördert durch die Europäische Kommission im Rahmen des Programms Lebenslanges Lernen sowie des Bundesministeriums für Bildung und Frauen.

Müller-Trapet, J. (2010): Szenario-Technik im berufsorientierten Fremdsprachenunterricht. KWW – Infobrief 2/2010, Düsseldorf: http://www.wirtschaftsdeutsch.de/lehrmaterialien/fachbeitrag-mueller-trapet-szenario.pdf, vom 8. 1. 2016

Neuhaus, A./Isfort, M./Weidner, F. (2009): Situation und Bedarfe von Familien mit mittel- und osteuropäischen Haushaltshilfen. Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V., Köln: www.dip.de

Wirtschaftskammer Österreich – WKÖ (2015). Mitgliederstatistik. Wien



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