Zum Hauptinhalt springen

BMBWF BMAW AMSInnsbruck Logo Land Tirol    ÖFEB

BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2016

Paper

Migrationsspezifische Ungleichheiten an der zweiten Schwelle in der Schweiz

Von:
Griga, Dorit; Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB), Schweiz
Kriesi, Irene; Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB), Schweiz

Typ: Paper

Einleitung und Fragestellung: In der Schweiz absolvieren rund zwei Drittel einer Kohorte eine drei- bis vierjährige berufliche Grundbildung auf Sekundarstufe-II-Niveau; in den meisten Fällen handelt es sich dabei um eine betriebliche Ausbildung. Im Anschluss an eine solche Ausbildung stehen den AbsolventInnen neben dem Übertritt in den Arbeitsmarkt auch weiterführende Ausbildungsgänge auf Niveau Tertiärstufe zur Verfügung, in welche sie sich unter bestimmten Voraussetzungen (bspw. Berufsmaturität beim Zugang an eine Fachhochschule) immatrikulieren können. Im Hinblick auf die Rekrutierung in betriebliche Ausbildungsplätze wie auch das Risiko einer Lehrvertragsauflösung haben vorhandene Studien einen Nachteil für MigrantInnengruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei und Portugal (‚vulnerable MigrantInnengruppen‘) identifiziert (Fibbi et al. 2006, Stalder/Schmid 2006, Imdorf 2010). Beim Übertritt in den Arbeitsmarkt nach Abschluss einer beruflichen Ausbildung haben Studien für Deutschland aufgezeigt, dass sich ausländische AbsolventInnen gegenüber inländischen AbsolventInnen im Nachteil befinden (Hillmert 2001, Seibert/Solga 2006). Da diese Ungleichheiten teilweise auch unter Berücksichtigung von Noten und Kompetenzen fortbestehen, vermutet Seibert (2011), dass ArbeitgeberInnen den Signalwert von Ausbildungsabschlüssen teilweise ethnisch modifizieren. Für die Schweiz liegt derzeit keine Studie zur Frage nach migrationsspezifischen Unterschieden an der zweiten Schwelle vor. Das vorliegende Paper möchte daher einen Beitrag leisten, diese Forschungslücke zu schliessen, in dem es nach Ungleichheiten zwischen beruflich ausgebildeten MigrantInnen und Einheimischen sowie auch den Determinanten an diesem Übergang fragt. Zum einen interessiert dabei der erfolgreiche Übertritt in Beschäftigung im erlernten Beruf (etwa gemessen an den Parametern Ausbildungsadäquanz, Suchdauer, Arbeitspensum, be- vs. ent-fristet). Zum anderen sind Übertritte in weiterführende Ausbildungsgänge auf Tertiärstufen-Niveau (z.B. Fachhochschulen) zu berücksichtigen.

Theoretische Erklärungsansätze, Annahmen und Analysestrategie: Zur Erklärung sozialer Ungleichheiten beim Übergang in weiterführende allgemeine Ausbildungsgänge dienen werterwartungstheoretische Erklärungsansätze. Das zentrale Argument in diesen Ansätzen ist, dass die Bewertung des Nutzens von Ausbildungsangeboten zwischen den sozialen Schichten variiert (Esser 1999). Zudem sind Eigenschaften der jeweiligen Ausbildungen (bspw. Anforderungsniveau) wie auch die durch den Ausbildungsbetrieb bereitgestellten Opportunitäten (bspw. für den Erwerb der berufsbegleitenden Berufsmaturität) zu berücksichtigen. Um auch unter Kontrolle dieser Merkmale etwaig zu beobachtende migrationsspezifische Ungleichheiten zu erklären, werden weitere Argumente (z.B. höhere Bildungsaspirationen von MigrantInnen; vgl. Kao/Tienda 1995) hinzugezogen. Spezifisch zur Erklärung von Ungleichheiten beim Übergang in Beschäftigung eignen sich das Modell der Labour Queue (Thurow 1975, 1978) und die Signal-Theorie (Spence 1973) sowie auch Seiberts (2011) Erweiterung der ethnischen Modifizierung des Signalwertes von Ausbildungsabschlüssen. Ausgehend von Seiberts Argumentarium erwarten wir, dass junge Erwachsene aus vulnerablen MigrantInnengruppen auch unter Berücksichtigung ihrer Ausbildungsabschlüsse und Zeugnisse einen Nachteil im Vergleich zu Einheimischen beim Übertritt in den Arbeitsmarkt aufweisen. Auch für den Übertritt in tertiäre Ausbildungen erwarten wir, dass MigrantInnen aus diesen Herkunftsgruppen aufgrund ihres sozialen Hintergrunds sowie ihrer Allokation im Berufsbildungssystem im Vergleich zu Einheimischen benachteiligt sind.

Die Analyse wird auf Basis der TREE-Daten durchgeführt – ein Panel-Datensatz mit 10 Befragungs-zeitpunkten im Alter zwischen 15 und 30 Jahren aufbauend auf der PISA 2000-Erhebung. Zur Grundgesamt zählen alle jungen Erwachsenen, welche im Anschluss an die Sekundarstufe I in die beruflich ausgerichtete Sekundarstufe II übergegangen sind und diese erfolgreich mit einem entsprechenden Berufsabschluss abgeschlossen haben. Da sich die entsprechende Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund aufgrund grösserer Übertrittsschwierigkeiten an der ersten Schwelle möglicherweise von einheimischen Jugendlichen unterscheidet, setzen wir Verfahren zur Selektionskorrektur ein. Die abhängige Variable differenziert zwischen dem Übertritt in eine weiterführende allgemeine Ausbildung (insbesondere Fachhochschule sowie auch Berufsmaturität), dem erfolgreichen Übertritt in Beschäftigung sowie Arbeitslosigkeit. Es werden multinominale wie auch – zur Analyse der Beschäftigungsqualität (Ausbildungsadäquanz, temporäre oder marginale Beschäftigung etc.) – binär logistische Regressionen geschätzt. Als unabhängige Variablen interessieren die Effekte eines Migrationshintergrundes. Als Kontrollvariablen werden Leistungen und Zertifikate der Sekundarstufe I und beruflichen Ausbildung, soziale Herkunft, Geschlecht, Aktivitäten der Beschäftigungssuche sowie Eigenschaften der Ausbildungsberufe und –betriebe berücksichtigt.



Weitere Abstracts