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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2018

Thematisches Forum

Arena Offene Hochschule: Perspektiven auf beruflich Qualifizierte in der akademischen Bildung

Von:
Adorno, Julietta; Stiftung Universität Hildesheim, Deutschland
Beutnagel, Britta; Leibniz Universität Hannover
Kost, Jakob; Pädagogische Hochschule Bern Schweiz
Schlögl, Peter; Alpen-Adria-Universität Klagenfurt


Universitäten und Hochschulen sind zunehmend dazu aufgefordert, im Rahmen ihres gesellschafts- und bildungspolitischen Auftrages lebenslange Lernprozesse in der Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen und sich damit auch für neue Zielgruppen, wie die der beruflich Qualifizierten, zu öffnen. Dies wiederum macht Reformprozesse im Bildungssystem auf den unterschiedlichen Ebenen mit dem Ziel notwendig, dass Menschen in allen Lebensphasen die Chance haben, sich an Bildungsprozessen zu beteiligen. Aufgrund dieses komplexen Vorhabens und bisher geringer empirischer Evidenz, bleibt zweifelhaft, ob Lebenslanges Lernen auf Dauer tatsächlich das mehr als ein Jahrhundert alte Schisma zwischen Allgemein- und Berufsbildung im postsekundären Bildungssystem aufzulösen vermag.

Das Forum knüpft an das Tagungsthema „Bildung = Berufsbildung?!“ an, indem es beitragsübergreifend Prozesse der Neuorientierung in Bezug auf das Verhältnis von beruflicher und allgemeiner Bildung im Kontext Hochschule fokussiert. Auf übergeordneter Ebene befasst sich das Forum mit der Frage nach den Triebkräften und Hindernissen auf dem Weg zur Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte sowie damit, wie die Durchlässigkeit und die Wertigkeit unterschiedlicher beruflicher und allgemeinbildender Bildungswege verhandelt wird. Das Forum begreift dabei die Offene Hochschule als Arena. In Anlehnung an Anselm Strauss sind dies Austragungsorte von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten, an denen sich unterschiedliche soziale Akteure engagieren, um ihre Interessen zu vertreten und ihre Positionen zu verhandeln. Die einzelnen Beiträge nehmen dabei verschiedene Perspektiven ein: die der sozialen Akteure (Studierende und Hochschullehrende), der politischen Programme sowie einer bildungspolitischen und akademischen Diskursebene. Die Beitragenden beziehen sich auf Empirie und Diskurse in Österreich, Schweiz, Spanien und Deutschland, sodass in dem Forum zugleich verschiedene nationale Politiken thematisiert werden.

JAKOB KOST

Die Öffnung von Hochschulen für beruflich Qualifizierte in der Schweiz – Bildungspolitische Initiativen zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

Der Beitrag widmet sich dem zeitgenössischen bildungspolitischen Diskurs um Durchlässigkeit in stratifizierten Bildungssystemen und der damit konnotierten Idee von Bildungsaufstiegen zwischen beruflicher Grundbildung und tertiärer Allgemeinbildung. Ausgehend von der Feststellung, dass Durchlässigkeit zwar bildungspolitisch behauptet aber kaum empirisch analysiert wird, folgt der Beitrag einem dreifachen Erkenntnisinteresse. Er illustriert die historische Genese des Diskurses um eine gesteigerte Durchlässigkeit in der Schweiz und nimmt dabei Bezug auf Entwicklungen in Deutschland und Österreich. Er beschreibt mit Rückgriff auf empirische Resultate (Kost, in Druck) an den Beispielen der Schweizer Berufsmatura und der Passerelle „Berufsmaturität/Fachmaturität – universitäre Hochschulen“ inwiefern die Ermöglichung durchlässiger Schul- und Ausbildungslaufbahnen auf Basis politischer Initiativen der letzten 20 Jahre gelungen ist. Drittens beschreibt und analysiert er unterschiedliche Strategien der Kommunikation von Durchlässigkeitsförderung (Strategiepapiere/Legislaturziele/Imagekampagnen etc.) aus einer Perspektive des Neoinstitutionalismus und verdeutlicht daran die Varianz in den aufscheinenden Normgeflechten (resp. institutionalisierten „Mythen“). Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse werden bildungspolitische Hoffnungen einer gesteigerten Durchlässigkeit kommentiert und künftige Forschungsdesiderate formuliert.

PETER SCHLÖGL

Othering – und alles bleibt wie es war?

Hinsichtlich des Hochschulzugangs und der Anerkennung von früheren Lernleistungen werden für Berufserfahrene zunehmend besondere Bezeichnungen wie „non-traditional students“ ins Feld geführt. Im Sinne von „othering“ wird damit aber zumeist kein spezieller Wert beruflicher Bildung gewürdigt, sondern vor dem Hintergrund traditionell-gymnasialer Programmatik diese Abschlüsse als grundsätzlich ergänzungsbedürftig dargestellt. Der Beitrag hinterfragt kritisch die Tiefenstrukturen sprachlicher Differenzierung und deren faktische Wirkungen.

BRITTA BEUTNAGEL

Orientierungen, Motivationen und Interessen berufsbegleitend Studierender

Seit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz in Deutschland zur Öffnung der Hochschulen besteht in nahezu allen Bundesländern die Möglichkeit des Hochschulzugangs aufgrund beruflicher Qualifikationen. Angesichts der steigenden Anzahl an Studienberechtigten, etablieren sich neue berufsbegleitende Studienformate, die sich explizit an die Zielgruppe der beruflich qualifizierten und berufserfahrenen Studieninteressierten richten. Der Beitrag präsentiert erstens, welche Motivationen und Interessen mit der Aufnahme eines berufsbegleitenden Studiums verbunden sind und zweitens, welche fördernden bzw. hemmenden Faktoren für den Studienerfolg der Teilnehmenden wirksam werden. Die Basis des Beitrags bilden die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Durchlässigkeit in naturwissenschaftlich-technischen (MINT-)Berufen – Qualifizierungswege in beruflicher und hochschulischer Bildung“ (Laufzeit: März 2014 bis Juni 2017). Ziel des Forschungsprojektes war es, transparente und systematische Ergebnisse über berufsbegleitende Studienformate im MINT-Sektor zu generieren. Neben den Motivationen, Anforderungen und Erfolgsfaktoren berufstätiger und beruflich qualifizierter Studierender wurden zudem die curriculare Konzeption und der praktischen Umsetzung der Formate erhoben und analysiert.

JULIETTA ADORNO

Akademische Öffnungsprozesse aus der Sicht von Hochschullehrenden

Im bildungspolitischen Diskurs um die Öffnung der akademischen Bildung für lebenslange Lernprozesse werden Hochschulen primär als organisationale Einheiten adressiert. Aufgrund der besonderen Organisationsform, bestehend aus den Einheiten Forschung, Lehre und Verwaltung, ist es jedoch notwendig, auch die Perspektive der Hochschullehrenden einzunehmen. Diese haben im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit – der Gestaltung von Lehr-Lernprozessen und der Betreuung von Studierenden – großen Einfluss auf institutionelle Öffnungsprozesse und sind dabei zugleich in organisationale Kontexte eingebunden, die ihren Handlungsspielraum begrenzen. Der Beitrag stellt auf der Basis aktueller empirischer Ergebnisse aus einer qualitativen Studie an Universitäten Deutschland und Spanien verschiedene Positionen zur Öffnung von Hochschulen und zur Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Bildung aus Sicht der Lehrenden dar und nimmt dabei insbesondere ihre pädagogische Tätigkeit sowie ihre Rolle als Organisationsmitglieder in den Blick. Er fokussiert die aus ihrer Sicht wahrgenommenen Chancen und Barrieren sowie Widersprüchlichkeiten und Paradoxien, die sich bei der Umsetzung politischer Programme in die eigene Praxis ergeben.

Methodisches Vorgehen

Die Beiträge werden als kurze Impulsreferate gehalten. In einer anschließenden moderierten Diskussion sollen die Teilnehmenden des Forums einbezogen werden und über die Beiträge hinaus eigene Perspektiven einbringen können. Die Impuls- und Diskussionsbeiträge sollen auf einer Map der Sozialen Welten/Arenen visuell dargestellt werden. Diese, aus der Situationsanalyse nach Adele Clarke (2012) entliehene Mapping-Strategie, veranschaulicht kollektive Akteure bzw. Soziale Welten und die Arenen ihres Engagements und Diskurses. Die überblicksartige Darstellung kann dabei unterstützen, die Komplexität der Diskussion um die Öffnung von Hochschulen aufzuzeigen, zu systematisieren und dadurch analytisch bearbeitbar zu machen.

Moderation: Carola Iller

Literatur

Clarke, Adele (2012): Situationsanalyse: Grounded Theory nach dem postmodern turn. Wiesbaden: Springer VS.

Kost, J. (2018). Erreichte und verpasste Anschlüsse – Zur Durchlässigkeit der Schweizer Sekundarstufe II. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.

Julietta Adorno, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin, Abteilung Allgemeine Erziehungswissenschaft, Stiftung Universität Hildesheim

Britta Beutnagel, M.A. wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung, Leibniz Universität Hannover

Dr. des. Jakob Kost, Dozent und Forschungsbeauftragter für Erziehungs- und Sozialwissenschaften, Institut für Forschung, Entwicklung und Evaluation, PH Bern

Prof. Dr. Peter Schlögl, Professor für Erwachsenenbildung und Berufsbildung, Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, Universität Klagenfurt



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