Abstracts 2012
Abstract
Reflexionsfähigkeit: verbindendes Element zwischen Theorie und Praxis?
Von:Cendon, Eva; Deutsche Universität für Weiterbildung, Deutschland
Session: 3
Zeit: Freitag, 06.7.2012, 09:00 - 11:00
Ort: FH Saal B
Typ: Paper
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*Forschungsgegenstand*
Die Schulung von Reflexion und Reflexionsfähigkeit ist eine wesentliche Aufgabe von Hochschulen (vgl. Barnett 1990) und spielt auch im Rahmen der beruflichen Handlungskompetenz eine immer größere Rolle (vgl. Dehnbostel 2007). In beiden Fällen geht es um die Souveränität und Qualität der eigenen Handlungen und um das Vermögen, Handlungen auf der Basis eigener Erfahrungen und verfügbaren Wissens bewusst kritisch und verantwortlich einzuschätzen, zu bewerten und weiterzuentwickeln. Der eingereichte Beitrag fokussiert auf Reflexion und Reflexionsfähigkeit in weiterbildenden Masterstudiengängen. An Hochschulen ist Weiterbildung der Bereich, der die größte Nähe zu beruflicher Praxis hat. Die Autorin möchte die Beweisführung antreten, dass Reflexion ein verbindendes Element zwischen Theorie und Praxis – zwischen akademischer und beruflicher Welt – ist und dass Reflexionsfähigkeit ein wesentliches Kriterium für die „Studierfähigkeit“ in weiterbildenden Masterstudiengängen ist. Die explizite Integration von Reflexion in Lehr-Lernprozesse ist damit ein wesentlicher Schritt zur Schulung des kritischen Denkens und des unabhängigen Urteilens (vgl. Moon 2007).
*Stand der Forschung/Entwicklungsbedarf*
Geht es um Durchlässigkeit zwischen dem hochschulischen und dem beruflichen Sektor, werden in den Diskussionen von beiden Seiten die Unterschiede hervorgehoben. Vielfach geht es um unterschiedliche Wertigkeiten von Wissen, um implizite oder auch explizite Hierarchien. In Deutschland werden seit einigen Jahren vermehrt Anstrengungen unternommen, Durchlässigkeit zwischen beruflichem Sektor und Hochschulsektor vor dem Hintergrund der Gleichwertigkeit von Wissen zu ermöglichen. So wurde in Berlin im Sommer diesen Jahres im Rahmen der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes für Hochschulen die Möglichkeit geschaffen, Personen mit langjähriger Berufserfahrung und ohne ersten Hochschulabschluss zu geeigneten künstlerischen oder weiterbildenden Masterstudiengängen an Hochschulen zuzulassen. Dies erfordert von Hochschulen, entsprechende Zulassungsverfahren zu entwickeln und zu implementieren, die ermöglichen, die Gleichwertigkeit von Vorwissen und damit auch die Studierfähigkeit von Personen ohne ersten Hochschulabschluss zu beurteilen.
*Forschungsmethode*
Diese Novellierung war für ein Forschungsteam, dem die Autorin angehört, Ausgangspunkt für eine explorative Studie, die zeigen soll, ob und wenn, welche Unterschiede zwischen Studierenden ohne und solchen mit erstem Hochschulabschluss feststellbar sind. Dabei müssen alle Studierenden als Zugangsvoraussetzung über Berufserfahrung verfügen. Die Studie wird an einer sehr jungen, ausschließlich auf universitäre Weiterbildung spezialisierten Universität durchgeführt. Die Theorie-Praxis-Verschränkung zeigt sich an dieser Universität während des gesamten Studiums: das Leitbild des „Reflective Practitioner“ (Schön 1983) wird in das Studienmodell und in die Lehr-Lernprozesse zu integrieren versucht und so ein befruchtender Austausch zwischen Theorie und Praxis ermöglicht.
Die Ergebnisse dieser Studie (Abschuss März 2012) werden präsentiert und gemeinsam mit Erfahrungen aus den Lehr-Lernprozessen nach dem Leitbild des Reflective Practitioner einer kritischen Reflexion unterzogen. Dabei gelangen schriftliche Belege der Entwicklung der Reflexionsfähigkeit der Studierenden wie Praxisberichte oder Lerntagebücher zur Auswertung. Der Einbezug dieser Quellen soll ermöglichen, auch Schlüsse über die Weiterentwicklung der Reflexionsfähigkeit im Rahmen des Studiums im Sinne des „Reflective Practitioner“ (Schön 1983, 1987) zu ziehen.
*Erwartete Ergebnisse und Schlussfolgerungen*
Die bisherigen Auswertungen lassen erwarten, dass das Reflexionsvermögen zentral für die Studierfähigkeit ist. Somit lässt sich die Studierfähigkeit nicht allein aus bereits erworbenen formalen Abschlüssen ableiten, sondern zeigt sich an der Reflexionsfähigkeit. Die Trennlinie, so die Hypothese der Autorin, vollzieht sich dabei nicht zwischen Personen mit und ohne ersten Hochschulabschluss. Vielmehr ist die Reflexionsfähigkeit und deren Weiterentwicklungspotential zentrales Merkmal von Studierfähigkeit und Voraussetzung für ein gelungenes Weiterbildungsstudium – unabhängig von einem davor erworbenen ersten Hochschulabschluss. Dies hat Auswirkungen: zum einen für die Gestaltung von Zulassungsprozessen, zum anderen für die Gestaltung von reflexiven Lehr-Lernprozessen.
*Ausgewählte Referenzen*
Barnett, Ronald (1990): The Idea of Higher Education, Glasgow, New York (open university press).
Dehnbostel, Peter (2007): Lernen im Prozess der Arbeit, Studienreihe Bildungs- und Wissenschaftsmanagement, Münster/New York/München/Berlin (Waxmann).
Moon, Jennifer A. (2007): Critical Thinking. An exploration of theory and practice. London and New York (Routledge).
Schön, Donald A. (1983). The Reflective Practitioner. How Professionals Think in Action, New York (Basic Books Inc).
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