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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2012

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Abstract

Erklärung der Beteiligung an beruflicher Weiterbildung auf Basis subjektiver Nutzenerwartungen

Von:
Walter, Marcel; Universität Duisburg, Deutschland
Müller, Normann; Bundesinstitut für Berufsbildung, Deutschland

Session: 3
Zeit: Freitag, 06.7.2012, 09:00 - 11:00
Ort: FH Saal A
Typ: Paper
Downloads: Präsentation als PDF



Es besteht ein bildungspolitischer Konsens, dass die Teilnahme an Kursen und Lehrgängen der beruflichen Weiterbildung zukünftig zu steigern ist. Gleichzeitig sind die Teilnahmequoten an nichtbetrieblicher beruflicher Weiterbildung in zahlreichen europäischen Ländern seit Jahren stagnierend oder gar rückläufig (Europäische Kommission 2009: 28f.). Darüber hinaus differieren die Teilnahmequoten deutlich nach den Ausprägungen personenbezogener Merkmale (Alter, Qualifikationsniveau etc.) (OECD 2010: 91f.).

Das Ziel, die Weiterbildungsbeteiligung zu steigern, äußert sich in der zunehmenden Verbreitung monetärer Förderprogramme. Implizit steckt hinter dem staatlichen Eingreifen die Annahme, dass Individuen im Interesse des eigenen Wohles zu wenig Weiterbildung nachfragen.

Im Paper wird diese Annahme am Beispiel Deutschlands hinterfragt. Es wird untersucht, ob tatsächlich Hinweise dafür vorliegen, dass die individuelle Entscheidungsrationalität hinsichtlich der Teilnahme an beruflicher Weiterbildung gestört ist oder ob es Personen mit geringer Teilnahmebereitschaft lediglich an Anreizen zur Teilnahme mangelt. Die sich aus den Analysen ergebenden Implikationen für die Weiterbildungsförderung werden diskutiert.

Die theoretische Grundlage für die Analyse bildet das sozialwissenschaftliche Rational Choice Paradigma. Hiernach wählen Individuen unter verschiedenen Handlungsalternativen diejenige aus, bei welcher der erwartete Nutzen unter gegebenen Restriktionen maximal ist. In Anlehnung an Vroom (1964) gehen die Analysen davon aus, dass der erwartete Nutzen einer Weiterbildungsteilnahme sich aus drei Komponenten zusammensetzt:
- der erwarteten Wahrscheinlichkeit, dass eine Weiterbildung erfolgreich absolviert werden kann. Als Erfolg wird definiert, dass sich das Individuum nach Teilnahme prinzipiell in der Lage fühlt, die zu vermittelnden Inhalte im eigenen Erwerbskontext anzuwenden (Erwartung).
- der Relevanz von bestimmten mit einer Weiterbildung potenziell verfolgbaren Zielen für eine Person (Valenz)
- der individuell eingeschätzten Wahrscheinlichkeit, dass diese Ziele durch erfolgreiche Teilnahme an einer Weiterbildung auch erreicht werden (Instrumentalität).

Zur Erfassung des subjektiv erwarteten Nutzens wurden zwischen dem 23. September und dem 27. Oktober 2010 1.600 computergestützte telefonische Interviews mit Erwerbstätigen geführt. Das Erhebungskonzept unterschied sich hierbei deutlich von dem anderer Befragungen zum Weiterbildungsverhalten: Anstatt den Nutzen ganz allgemein oder für eine bereits abgeschlossene Maßnahme zu erfassen, wurde im Interview eine Entscheidungssituation simuliert, in der die Befragten ihren erwarteten Nutzen für eine noch nicht besuchte Weiterbildungsmaßnahme offenlegten. Die Befragten bewerteten zunächst, wie wichtig ihnen das Erreichen von neun potenziellen Weiterbildungszielen ist (Einkommenssteigerungen, Beschäftigungsfähigkeit etc.). Anschließend wurden sie zufallsgesteuert mit einem von vier fiktiven Weiterbildungsszenarien konfrontiert. Die Befragten äußerten, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie eine diesem Szenario entsprechende Weiterbildung erfolgreich absolvieren könnten und mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Teilnahme zum Eintritt der zuvor bewerteten Ziele führen würde. Schließlich wurde die Bereitschaft der Befragten erfasst, an einer solchen Weiterbildungsmaßnahme teilzunehmen.

Auf Basis von Regressionsanalysen kann gezeigt werden, dass die Weiterbildungsbereitschaft stärker ausfällt, je schwächer zeitliche (u.a. Zeit für Erwerb und familiäre Verpflichtungen) und monetäre Restriktionen (Erwerbseinkommen) sind und je höher der subjektiv erwartete Nutzen ist. Diese Befunde deuten auf einen rationalen Abwägungsprozess bei der Weiterbildungsentscheidung hin: Abstinentes Verhalten wird also umso wahrscheinlicher, je weniger attraktiv potenzielle Weiterbildungsziele sind, je unwahrscheinlicher diese in den Augen potenzieller Teilnehmender durch Weiterbildung erreichbar sind, und je schwächer deren Erwartung ist, dass ein Kurs oder Lehrgang erfolgreich absolviert werden kann bzw. einen Lerneffekt hat.

Die Ergebnisse zeigen Gestaltungspotenziale für die monetäre und nonmonetäre Weiterbildungsförderung auf. Zum Beispiel lässt sich eine Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung erreichen, indem abstinente Personen dafür sensibilisiert werden, dass die an Weiterbildung gestellten Ansprüche auch realisierbar sind. Um gerade Personen mit einer sehr schwachen Nutzenwahrnehmung zu erreichen, sind eine aufsuchende Bildungsberatung, ein milieuspezifisches Bildungsmarketing sowie eine adressatengerechte Planung und Durchführung von Weiterbildungsangeboten, unerlässlich.

Literatur:

Europäische Kommission (2009): Progress towards the Lisbon objects in education and training. Indicators and Benchmarks 2009. Brüssel.

OECD (2010): Bildung auf einen Blick. OECD-Indikatoren. Paris.

Vroom, V. (1964): Work and Motivation. New York, John Wiley & Sons.

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